Das ist zwar eine schöne Sache, aber letztlich wohl eine Utopie. Ich will mal versuchen, es so sachlich wie möglich auszudrücken: Kraft mag Talent haben, ob es für ganz weit oben oder sogar Weltklasse reicht, sei mal dahingestellt. So was kann ich nicht nach ein paar Spielen beurteilen. Es gibt so viele Hemmnisse und Täler, die bis dahin für jeden Torwart zu überwinden bzw. zu durchwandern sind, dass man unmöglich sagen kann, ob Kraft dafür sportlich, körperlich und psychisch geeignet ist. Und genau da kommen wir zum Kern der Skepsis: Bayern München hat Zeit, einen Feldspieler zum übderdurchschnittlichen BL-Spieler oder zur Weltklasse zu formen. Aber hat Bayern die Zeit, einen Torwart auf diesem Weg zu unterstützen. Kahn kam immerhin schon als gestandener BL-Torwart. Das ist nicht vergleichbar mit Kraft. Der hat noch gar nichts auf dem Kerbholz, außer einem Elfer, der zwar spektakulär gehalten war, aber wo man einschränkend sagen muss, dass die Jungs da oben schon alle in der Lage sind, so einen Elfer zu halten. Alles andere, was er gezeigt hat, war kaum über das Maß hinaus, das ein Kreisliga- oder meinetwegen schon Landesligatorhüter an sich anlegen würde. Man muss auch als Bayern-Fan schon sehr aufpassen, sich dem Medien- und Anti-Neuer-Hype (der Schickeria etc.) zu entziehen. Denn genau jene beiden Lager sind die ersten, die "Zeter und Mordio" schreien, wenn Kraft die ersten wichtigen Punkte kostet. Was er zwangsläufig auf seinem Entwicklungsweg tun wird, weil er ohne diese Stahlbäder kein absoluter Spitzenmann werden kann, wie Bayern ihn braucht und will.
Gehen wir also von den normalen Wirrungen aus, die ein Talent auf dem Weg zum Torwart internationalen Formats (und nicht weniger braucht Bayern) hinter sich bringen muss. Das war bei Neuer so, das war bei Adler so. Diese Schwächephasen zu tolerieren und zu akzeptieren und damit zu riskieren, wichtige Punkte und Titel zu verlieren, ist eine Herausforderung an die Geduld der Verantwortlichen und der Fans, wie ich sie Bayern München und dem Umfeld nicht zutraue. Am Ende könnte Kraft den Weg eines Rensing gehen und fürs Erste als Versager abgestempelt werden. Aus der Schublade muss man erstmal rauskommen. Insofern WÄREN die 20 Mio. für Neuer (bestenfalls minus "Kraft-Verrechnung") eine absolut sinnvolle Investition. Zum Vergleich: Würde Daimler das Risiko eingehen, ein Modell auf den Markt zu bringen, das von Design- und Maschinenbaustudenten entworfen wurde, wenn die andere Option schon auf Marktchancen, Sicherheit etc. erfolgreich getestet wurde? Nicht vorstellbar? Eben!
Und als letztes Argument: vdS und Valdez sind nette Beispiele. Aber ohne den Ligen in Spanien und den Niederlanden zu nahe zu treten, muss man festhalten, dass ein Torwart in den absoluten Spitzenvereinen dort erheblich weniger gefordert wurde und wird, als das heute in dieser ausgeglichenen Bundesliga der Fall ist. Das ist ein klarer Vorteil, wenn Du nur in CL und ganz wenigen Ligaspielen im Brennpunkt stehst. Denn auch die Konzentration für so ein Programm will erlernt sein. Kraft muss schließlich auf drei Glamour-Hochzeiten tanzen und zwar überall, ohne seiner Partnerin auf die Füße zu treten.
Mein Lebensglück hängt nicht davon ab, ob Neuer der beste Torhüter der Welt wird oder die deutsche Nr. 1 bleibt oder bei Schalke bleibt. Wenn Kraft so eine Grante wird, würde ich mich als Torwart freuen, diesen Weg zu beobachten. Aber ich habe meine Zweifel, ob Bayern bei einem Torwart und unter diesen Voraussetzungen das richtige Umfeld bietet.
Das mögen Bayern-Fans aus emotionaler und nostalgischer Sicht anders beurteilen, doch ich denke, das sind schlagkräftige Argumente. Und ich gehe davon aus, dass ein Hoeneß genau in diesen Kategorien denkt.





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