Der Druck von außen mag das eine sein, aber in meinen Augen gibt es da noch mehrere Faktoren, die dabei eine Rolle spielen (könnten). Es gibt in meinen Augen drei Beispiele, die man hier nennen könnte, und diese sind Kraft Rensing und auch Wessels. Alle drei waren zu ihrer Zeit bei den Bayern große Talente oder wurden zumindest als solche in der Öffentlichkeit dargestellt. Die große Nachfolge von Oliver Kahn konnte dabei keiner von diesen 3 Torhütern antreten. Als Nummer 2 oder für das ein oder andere Spiel als Ersatz waren alle 3 sehr gut geeignet. Aber die Nachfolge ist dann nochmal eine ganz andere Baustelle. Solange man Nummer 2 ist die gesamte Wahrnehmung doch eine andere. Da sind gelungene Situationen eben sehr gut und ein Fehler kann da auch mal passieren, denn man ist ja schließlich "nur" die Nummer 2.
Aber es gibt in meinen Augen noch weitere Punkte, die man bei diesem Sachverhalt betrachten sollte.
Ein Oliver Kahn besaß eine ganz andere Autorität, eine ganz andere Aura und auch sein Image war da ein ganz anderes. Sobald Kahn auf dem Platz den Mund aufgemacht hatte, folgte die Mannschaft, er war eben der absolute Leitwolf und das dabei auch zu Recht, denn seine Körpersprache war permanent am höchsten Limit der Bereitschaft. Bei ihm hatte man das Gefühl, dass er notfalls Gegner und auch den Ball gefressen hätte. Er stand dabei für das höchste an Siegeswillen innerhalb der Mannschaft. Ein Mann, der alles in die Waagschale warf, und war es auch die eigene Gesundheit oder die des Gegners. So ein Spieler wirkt eben auf die Mit- und auf die Gegenspieler in einem besonderen Maße. Da war das Tor umgangssprachlich etwas kleiner als bei einem Rensing oder den anderen beiden. Kahn galt als Weltklassemann, war mehrfacher Welttorhüter des Jahres und das macht schon etwas her. Das beflügelt die eigene Mannschaft und schüchtert in gewisser Weise auch den Gegner ein. So hat bei einem Spieler wie Messi auch die gesamte Defensiv- Abteilung des Gegners größten Respekt vor ihm, während es bei einem Mann wie Helmes beispielsweise nicht so ist. Die eigene Mannschaft kann sich an so einem Ausnahme- Könner orientieren und in schlechten Spielen an ihm ggf. auch wieder hochziehen, während Kraft oder Rensing, diese Fähigkeit nicht besaßen, weil sie dafür aber auch noch deutlich zu jung und unerfahren war. Bei Manuel Neuer sieht es da schon wieder anders aus, denn er ist aktuell die unangefochtene Nummer 1 der Nationalmannschaft, besitzt gleichzeitig das Prädikat Weltklasse und gilt obendrein als zukünftiger Welttorhüter. Dieser hat dann wiederum ein besseres Image und die Mannschaft lässt sich von ihm auch wieder anders und vielleicht auch bereitwilliger führen. Solch eine Autorität kann man sich aber nur langwierig erarbeiten, die besitzt man nicht einfach. Mit dem Image verhält es sich dann gleich.
Dadurch ist auch das jeweilige Standing innerhalb der Mannschaft wiederum ein anderes. Du wirst dann in der Mannschaft ganz anders wahrgenommen, und jeder fühlt sich eben sicherer, wenn du einen gewissen Namen. Da kann auch mal der ein oder andere Fehler im Spielaufbau passieren, ohne dass die Hintermannschaft gleich die größte Angst haben muss. Hat man dann diese Sicherheit im Hinterkopf, lässt es sich auch befreiter und einfacher spielen. Ist die Mannschaft sicherer, fühlt aber auch der Torwart wieder besser und wohler. Es ist dann eine Situation, von welcher beide Seiten, also der Keeper und die Feldspieler profitieren.
Da ich eben schon den Namen angesprochen habe: Rensing und auch Kraft sind dann irgendwann an Butt gescheitert und auch an dem Erbe des Oliver Kahn. Die beiden mussten Kahn über lange Zeit gesehen ersetzen und ihm nachfolgen, Butt konnte da befreiter als älterer Spieler, mit vielleicht noch 2 Jahren Karriere, aufspielen, denn er musste nicht die Zukunft von dem FC Bayern sein. Gleichzeitig war er und ist er aber dermaßen erfahren, dass er auch mit solchen schwierigen Situationen auf dem Platz und auch neben dem Platz damit umgehen konnte. Er stand schon im CL- Finale gegen Real Madrid, war im Ausland aktiv und hatte in seinen langen Jahren als Profi soviel erlebt, sodass ihn bei weitem nicht aus der Ruhe und beeindrucken konnte, wie es zum Beispiel bei Kraft der Fall war. Kahn war zu seinen Glanzzeiten Welttorhüter, Vize- Weltmeister und hatte auf der Vereinsebene quasi alles erreicht, was man erreichen konnte. So etwas kann ein Junge Anfang 20 einfach nicht nachweisen.
Auch die Spielweise ist bei der Umstellung zu einem neuen und jungem Keeper ganz entscheidend. Kahn war der klassische Linien- Spieler, ist aber gegen Ende seiner Karriere damit auch irgendwo an seiner Grenzen gestoßen. Gleichzeitig wirkte die Defensive darauf aber sehr gut eingestellt und eingespielt. Allerdings hat jeder Torwart auch seinen eignen Stil und mit diesen jeweiligen Gegebenheiten muss sich dann die Mannschaft auch wiederum erst zurechtfinden, gerade wenn es sich hierbei um eine neue Nummer 1 handelt. Aus dem gleichen Grund gibt es auch noch mitunter Unstimmigkeiten zwischen Neuer und seinen Vorderleuten. Kraft oder Rensing mussten dann wieder sich selber zurecht finden, und gleichzeitig allerdings der Mannschaft und in gewisser Weise auch dem ganzen Verein ihren Stempel aufdrücken, und das nachdem sie vorher in keinem Verein Stammkraft waren. Es gibt in diesem Zusammenhang sicherlich leichtere Aufgaben und Ausgangssituationen.
Auch der jeweilige Trainer spielte bei beiden Torhütern eine gewisse Rolle, denn weder Klinsmann noch van Gaal waren in ihren Amtszeiten immer total souverän und unangefochten bzw. unbestritten. Beide Trainer hatten jeweils mitunter relativ abenteuerliche Entscheidungen getroffen und wenn diese Entscheidung auch etwas mit einem neuen und jungen Keeper zu tun hat, kann es für diesen Spieler auch recht problematisch werden und genauso war es dann ja auch. Da war der Keeper ganz eng mit dem Schicksal des Trainers sowie mit dem Erfolg der Mannschaft verbunden. Am Ende mussten beide Trainer und später auch beide Keeper gehen.
Gleichzeitig hatten weder Rensing noch Kraft die Möglichkeit zu reifen, so wie es Neuer bei Schalke durfte. Neuer durfte auch mal einen Fehler machen und durfte aber daran wachsen und auch aus diesen Fehlern lernen. Ohne diesen Reife- und Lernprozess wäre er jetzt nicht dort, wo er heute steht. Bei Bayern hatte man diese Geduld nicht. Da ging es in jedem Spiel darum, fehlerfrei zu spielen und den Anspruch als den legitimen Nachfolger von Oliver Kahn zu rechtfertigen. Als junger Spieler kann man dann aber schnell an seine Grenzen stoßen, mental wie im Sinne des Leistungspotentials. Das war dann wohl der springende Punkt, denn weder Kraft noch Rensing haben diesen Reifeprozess an der Säbener Straße durchlaufen dürfen, wobei dann wiederum der Druck und auch das Umfeld dafür wohl gesorgt haben, dass beide letztendlich in München scheitern mussten.
Leider.




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