CHRISTOPHER NOLANS NACHRUF
'The Dark Knight'-Regisseur Christopher Nolan teilt mit uns seine Erinnerungen an Heath Ledger, welcher letzte Woche im Alter von 28 Jahren von uns ging:
"Eines Nachts, als ich auf der LaSalle Street in Chicago stand und versuchte eine Aufstellung für eine Aufnahme zu ‚The Dark Knight’ auszuprobieren, fuhr ein Produktionsassistent auf einem Skateboard durch mein Blickfeld. Stillschweigend verfluchte ich den Moment als Heath als erstes an unserem Set in seinem Make-Up skatete, da sich die Skateboards ab diesem Moment unter den jüngeren Crew-Mitgliedern vermehrten. Wenn man diese Kids fragen würde, warum sie ihre Boards mit zur Arbeit bringen, dann würden sie ehrlich antworten, dass sie es nicht wissen. Das ist wahres Charisma – so unsichtbar und natürlich wie die Erdanziehung. Und das war es, was Heath hatte.
Heath war voller Kreativität. Sie steckte in jeder seiner Gestiken. Er erzählt mir einmal, dass er gerne zwischen seinen Jobs wartet, bis es ihn nach Kreativität dürstet. Bis er es wieder brauchte. Mit dieser Einstellung kam er jeden Tag an das Set. Es gibt nicht viele Schauspieler, die es schaffen, dass es dir peinlich ist, sich darüber zu beschweren, den besten Job in der Welt zu haben. Heath war einer von ihnen.
Einmal drehten wir mit ihm und einem anderen Schauspieler eine umfangreiche Szene. Wir hatten zwei Tage für den Dreh und am Ende des ersten Tages kamen wir schon sehr gut voran. Aber Heath war besorgt darüber, dass es das noch nicht war. Er wollte weitermachen und es vollenden. Es ist nicht einfach die Crew zu einem Nachtdreh zu überreden, wenn man weiß, dass am nächsten Tag noch genug Zeit dafür wäre. Aber jeder verstand, dass Heath noch etwas Besonderes wollte und wir es noch einfangen mussten, bevor es verschwand. Erst Monate später erfuhr ich, dass sich Heath vor seinem Abschied vom Set bei jedem Crew-Mitglied leise bedankte. Leise. Nicht um des Bedankens Willen. Er war einfach nur dankbar dafür, dass sie ihm die Möglichkeit dazu gegeben hatten.
Die Nächte auf den Straßen Chicagos waren voller Stunts. Für Schauspieler kann dies manchmal recht langweilig werden, aber Heath war fasziniert davon und nahm dankend unsere Einladung an, ihn auf dem Kamerawagen während einer Verfolgungssequenz mitzunehmen – nicht als Nervenkitzel, sondern um ein Teil davon zu sein. Ein Teil von allem. Er hatte seinen Laptop dabei und zeigte uns zwei seiner Projekte: Kurzfilme von ihm, welche spannend und packend waren. Deren Ausgelassenheit liesen mich dagegen ermüdet und bleiern wirken. Ich habe mich noch nie so alt gefühlt, wie in den Momenten, als ich Heath dabei zusah wie er sein Talent erforschte. In dieser Nacht machte ich ihm ein Angebot – von dem ich wusste, dass er es nicht wahrnehmen würde: er dürfe an einem seiner freien Abende bei uns vorbeikommen, um zu sehen was wir vorhaben.
Wenn man nach einem Filmdreh in den Schnitt geht, dann fühlt man eine gewisse Verantwortung dem Schauspieler gegenüber, der einem vertraut hat – und Heath hat uns jegliches Vertrauen geschenkt. Als wir mit dem Schnitt begannen, stellte ich mir vor welche Aufnahme wir verwenden und welche Kürzungen wir vornehmen würden. Ich stellte mir die Vorführung vor, bei dem wir ihm den fertigen Film zeigen. Zwei oder drei Reihen hinter ihm sitzend, jede seiner Bewegungen seines Kopfes beobachtend um sich zu fragen, wie er darüber denkt, was wir aus dem gemacht haben was er uns gegeben hat.
Diese Vorführung wird nie stattfinden. Ich sehe ihn jeden Tag in meinem Schneideraum. Ich studiere sein Gesicht, seine Stimme. Ich vermisse ihn schrecklich.
Zurück auf der LaSalle Street. Ich wende mich an meinen Assistenten und sage ihm, dass er den Skateboardfahrende Jungen doch bitte aus dem Blickfeld schaffen soll ... bis ich erkenne ... es ist Heath, mit einer Wollmütze bis zu seinen Augen gekrempelt ... an seinem freien Tag um mein Angebot wahrzunehmen. Ich konnte einfach nur noch lächeln."
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