Ich denke mal es ist einfacher die Leistungen in einem Spiel zu bewerten als Torhüter in den unterschiedlichsten Situationen miteinander zu vergleichen, um unter dem Schlußstrich zu sagen, dass der in der Summe besser ist als jener? Man hat ohnehin zunächst einmal nichts davon, weil die Torleute nun mal nicht beliebig austauschbar sind.

Ergo sollten wir uns mit dem gestrigen Spiel beschäftigen.

Normalerweise sollte man bei der Beurteilung der Torwartleistungen die der Mannschaft und des Trainers ausklammern, sofern es sich um normale, individuelle Fehler handelt. Aber letzendlich kann in einer besonders extremen Situation der Torwart auch der Leidtragende sein, weil ihm die Summe der Fehler anderer seine Arbeit stark belastet. So habe ich das gestern empfunden, als der Trainer seine Leistungsträger zu Bankdrückern erklärt hat, um guten Bundesliga-Durchschnitt gegen eine europäische Spitzenmannschaft antreten zu lassen. Da kommt selbst mancher Jugendtrainer auf die Idee schnell zu handeln, wenn er sieht, dass der Gegner mit Ball schneller ist als der eigene Mann ohne Ball. Dieser Überforderung war Süle schon nach wenigen Minuten ausgesetzt, ohne eine Trainerunterstützung (z.B. Positionsseite wechseln) zu erhalten.

Wieder einmal bewahrheitete sich, dass das Ballbesitz-Kurzpaß-Spiel der Bayern in der Championsleague starke Gegner nicht beeindrucken kann, weil die den Bayern lediglich Räume im Mittelfeld und den Außenbahnen gewähren, jedoch mit 7 Spielern das Zentrum so eng besetzt halten, dass es hier nahezu unmöglich ist mit einem flachen Paß eine geeignete Schnittstelel zu finden und zum Torabschluß zu kommen.

Selbst als Paris in der 2. Halbzeit nicht mehr ganz so agressiv nach vorn spielte, hätten sich die Bayern nicht über ein 4 oder 5 : 0 beschweren können, denn sobald Paris das Tempo erhöhte, fand man die nötigen Lücken in der Bayern-Defensive. Das dumme Geplappere über die Dominanz anhand von Ballbesitz hilft bei einer Leistungsbewertung leider nicht weiter oder seid ihr da anderer Meinung? Entscheidend sind für mich einzig die finalen Aktionen vor den Toren. Wer sie in einer Großchance hat, der wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Torerfolg kommen. Wer aufgrund eines langsamen Umschaltspiels nur normale Chancen gestalten kann, der muß zum Torerfolg auf individuelle Fehler des Gegners hoffen. Den Gefallen hat PSG den Bayern aber nicht getan, weshalb die Unsicherheiten des Pariser Keepers dem Laien gar nicht so ins Auge fielen.

Deshalb möchte ich euch fragen, wie sich ein Torwart orientieren soll, wenn seine Abwehr derart schwimm, dass er auf kein zuverlässiges, individuelles Verhalten im ballnahen, torgefährlichen Raum vorfindet? Deshalb möchte ich nur zum Distanzschuß ein paar Worte sagen. Ich komme da zum Schluß, dass Ulreich (wie schon in ähnlichen Situaionen) mit der technischen Ausführung seiner Entscheidung ein wenig zu spät kommt, sodass der Bewegungsablauf ohne die notwendige Körperspannung und Dynamik stattfindet. Aber es ähnlich waren ja auch eure Analysen, weshalb ich zur Frage nach den möglichen Ursachen komme.

Eine davon ist die notwendige Zeit, die mir meine Vorderleute bei meiner Entscheidung geben müssen, indem sie aus ihren Positionen heraus situativ zuverlässige Laufwege wählen müssen, sodass ich die aktuelle Situation sicher "scannen" und meine Aktion (Positionsanpassung und Ballabwehr) daraus ableiten kann. Eine weitere Frage ist, ob die für die Technik und Taktik erforderliche spezifische körperliche und geistige Torwartfitness auch dann gegeben sein kann, wenn sich der Torwart nur im Training fit hält und ihm die parktische Wettkampf-Fitness fehlt, weil ein anderer seinen Stammplatz einnimmt? Hinzu kommt, dass ein TW-Trainer zwar sorgfältig sein Training durchführt, es jedoch individuell spielnah an die Aktionen des eingesetzten Stammtorwarts anpaßt. Denn auch er unterliegt dem Erfolgsdruck des Spielergebnisses. Hier sollte es normalerweise keine Probleme innerhalb des Trainerstabes geben, weil es klug ist in Sachen Torwart seinem Torwarttrainer zu vertrauen. Wer sich jedoch die gestrige Mannschaftsaufstellung angeschaut hat, dem sind vielleicht Zweifel gekommen, ob auch der Co-Trainer und der Rest des Trainerstabes während der Vorbereitung aufs CL-Spiel zu gleichen Erkenntnissen wie der Chefcoach gelangt sind? Wie man jedoch hört, sollen nun mit Dringlichkeitsstufe Gespräche stattfinden, weil ansonsten nach Weihnachten ein anderer Trainer die Geschicke dieser Mannschaft lenken könnte?

Ulreich hat für mich eine gute, durchschnittliche Bundesliga-Qualität. Aber es ist nicht seine alleinige Schuld, wenn die Wettbewerbsausrichtung momentag nicht wie gewünscht funktioniert.