Beide Tore wurden aus der "toten Zone" (ca. 8 - 13 m vor dem Tor) erzielt. Hierbei muß der Keeper blitzschnell situativ entscheiden, ob er zum Ball hin verschiebt, um die Torfläche zu verkleinern oder ob er sich auf eine Zielverteidigung entstellt. Trapp hat sich in beiden Situationen für eine Zielverteidigung entschieden.
Natürlich kann man hier nicht generell von einem Torwartfehler sprechen, denn gerade bei Bällen aus der "toten Zone" hat jeder Profi-Keeper seine eigenen Erfahrungen, wie er erfolgreich agiert. Hinzu kommt, dass ca. 80 % aller Schüsse nicht die gewünschte Präzision oder Härte haben. Da spielt der Faktor Reaktionszeit ebenfalls eine gewichtige Rolle. Die Erfolgsstatistik mag nicht viel über ein Spiel aussagen, wohl aber über die Torwartleistungen in einer Saison.
Seht bitte die Min. 2.31 an, wo Trapp zwar nur eine geringe Torfläche zu verteidigen hat, Glück hat, dass der Ball gerade noch an den rechten Fuß springt, aber dafür vom Kommentator mit einer Weltklasse-Reaktion gelobt wird.
Schaut euch aber bitte auch die Abwehr von Gulaski (Min. 3.01) an. Hier kann er bei korrekter Armhaltung einen Lupfer fangen, muß ihn aber abprallen lassen. Denn eine andere Möglichkeit zum Torabschluß hatte der Angreifer nicht. Er hat Glück, dass der Ball beim Mitspieler landet.
Ich habe dieses Beispiel bewußt gewählt, weil wir viel zu häufig nur das Ergebnis einer Torwartaktion in den Fokus rücken, anstatt die gesamte Aktion zu bewerten. Denn sie wird sehr häufig von Zufälligkeiten begleitet, die wir jedoch als Standard beurteilen.
Natürlich geht es immer besser, weshalb ein hoher Trainingsaufwand für die 10 - 15 torgefährlichen Aktionen in einem Spiel gemacht wird. Aber man sollte nicht den Fehler machen, den Kommentatoren zu glauben. Denn die wissen häufig wenig über die Torwartaufgaben und beurteilen es lediglich am Ergebnis.
Trapp ist noch in einer Zeit ausgebildet worden, als sehr viel Wert auf "Handarbeit" gelegt wurde und die präventive Torverteidigung incl. schneller Spieleröffnung, wie er sie später bei seinem Nationalmannschaftskollegen Manuel Neuer beobachten konnte, stand in seiner Ausbildung noch in den Kinderschuhen.
Durch den "Ballbesitzfussball" wurden auch Neuer`s besondere Fähigkeiten bei Bayern und in der Nationalmannschaft nur teilweise abgerufen. Seine langen und präzisen Abwürfe in die Spitze sah man nicht mehr, weil seine Trainer andere taktische Vorgaben machten. Nur die präsentive Torverteidigung passte noch zur Taktik, weil das eigene Team hoch aufrückte, um den Ball besser zirkulieren zu können. Dass dann an der Mittellinie zu viel Raum für gegnerische Konter entstand, konnte auch ein sprintstarker Manuel Neuer nicht gänzlich vereiteln.
Gerade die Torwarttaktik spielt dann eine große Rolle, wenn es darum geht, das Risiko abzuwägen. Wenn der Zufall Pate steht, mag selbst die offensivste Variante zum Erfolg führen, will man aber möglichst aufs Risiko verzichten, so ist die passive Variante die beste Wahl.
Als Trainer ist man es gewohnt das gesamte Spielfeld permanent zu scannen. Gerade die traditionellen Torwarttrainer müssen sich aber erst noch daran gewöhnen nicht nur den Ball und ein paar Quadratmeter drum herum ins Kalkül zu ziehen, wenn es um die Beurteilung von Taktik-Varianten geht. Denn der Einfluß von Mannschaft- und Gruppentaktik fließt immer mehr in die individuelle Torwarttaktik ein und kann nicht mehr statisch davon abgegrenzt werden, wie dies zu früheren Zeiten möglich war.