Workshop bei den Stuttgarter Kickers vom 28.5.2009 mit Hans Leitert, der die Kunst des Torwartspiels nach den 7 Prinzipien der Meister
Ein Mann, ein Mythos. Er schreibt ein Buch, welches letztendlich fesselt. Man findet sich darin wieder, aber auch findet man genug, wo man es zwar versteht, aber nicht denkt umsetzen zu können.
Leute, die mit dem Mann gearbeitet haben, die Ihn kennen oder aber auch nur seine Seminare besucht haben, beschreiben Ihn als einen aussergewöhnlichen Menschen, ja es umgibt seine Person eine Aura des mythisch-legendären, in etwas wie Robin Hood, den schwarzen Ritter oder Prinz Löwenherz.
Es ist daher immer Bestreben gewesen, Neues zu erfahren, Neues zu lernen und auch sich weiter zu entwickeln, einfach um hier für mich und die Torleute noch mehr und noch höherwertiges Anbieten zu können.
Hans Leitert, und das macht sein Buch aus, geht vom normalen Buch mit Beschreibung von Technik und Trainingsmethoden nahezu völlig weg. Es ist, als habe man einen ganzen Packen Torhüter durch den Mixer gejagt, mit deren Analysen aufgefüllt und dazu ein halbes dutzend der besten, internationalen Torwarttrainer untergehoben, dies destilliert und die Essenz daraus in das Buch gepackt.
Es ist etwas, wo die Technik völlig aus dem Focus verschwindet und Hans Leitert, er achtet darauf bei den Junioren und Senioren nicht mehr. Er betrachtet dem Torhüter daher nicht mehr um seine Technik, sondern nur noch anhand der Grundpfeiler des Torwartspiels.
Diese Grundpfieler nennt er die 7 Prinzipien, die da sind
- Optimale Position und Distanz
- Balance
- Rechtzeitig fertig
- Richtiger Beginn
- Schnell und aktiv zum Ball
- Furchtlosigkeit
- Kontrollierter Focus
Man kann sich also vorstellen, selbst wenn man die Ausführungen im Buch gelesen hat, 100%ig verständlich ist es nicht, selbst wenn es im Buch aussergewöhnlich gut beschreiben ist.
Sein Buch geht über die normale Trainingslehre hinaus, macht dort weiter, wo andere Literatur meist endet.
Kein Wunder also, daß sich dann viele Interessenten zu einem Workshop bei den Stuttgarter Kickers eingefunden hatten. Dennis Rudel hatte zusammen mit den Kollegen des Württembergischen Fußballverbandes dies angeregt und auch das Gelände zugesichert und mit Marcel Schäfer von torwart.de fand sich auch eine Plattform, dies insgesamt zu einem tragfähigen praxisnahen Workshop auszubauen.
Die Anlage der Stuttgarter Kickers im ruhigen Naherholungsgebiet von Stuttgart Degeloch bot daher eine ideale Ausgangslage für einen wunderbaren Lehrgang, der bereits um 10 Uhr mit einer kurzen Vorstellung der Teilnehmer begann.
So war es kein Wunder, daß Thomas Schlieck und Alexander Bade vom Bundesligisten Arminia Bielefeld den weiten Weg ins Schwabenland gefunden hatten, aber auch vom FC Zürich, vom SC Freiburg und auch Gäste aus Graz waren anwesend.
Dennis Rudel stellt nun 3 seiner Junioren Torleute als Demonstrationspartner ab, damit Hans Leitert auch seine Trainingsmethoden praxisnahe demonstrieren konnte, und er sollte die jungen Männer im Verlauf des Tages hart fordern.
So zog es Hans Leitert rasch auf den Platz, mehr Theorie als die Vorstellung war kaum nötig, um ihm einen Überblick zu verschaffen. Der Anspruch an Ihn war entsprechend hoch er nah die Herausforderung an.
So ging er auch gleich auf die Prinzipien ein, und machte fest, daß die Prinzipien 4 und 5 sich ideal beim Aufwärmen und zum Einstieg eigenen.
Welches er mühelos demonstrieren konnte.
Schamlos legte er die Schwächen offen und machte klar, warum das auftritt. Deutlich konnte man trotz der unterschiedlichen Techniken der Torleute erkennen, daß Hans darauf keinen Wert legte, sondern zielsicher die Schwachpunkte des Fundamentes freilegte.
Dabei war die Übung mit 4 Stangen vom Aufbau simpel, auch die Anforderung an den Torwart eher gering, und trotzdem zeigten sich hier, nachdem alle von Hans Leitert erklärt bekommen hatten, worauf zu achten sei, klar die jeweiligen Schwächen des Torwart.
Er zeigte im Anschluss auch Methoden, wie man solche Seitenschwächen focusiert ausmerzen kann und den Körper wieder daran gewöhnt, richtig zu beginnen und man so viele Fehler schon im Vorfeld der Technik optimal korrigieren kann.
Im Anschluss ging es auf das tor. Hans Leitert hob hervor, daß er ganz bewußt und gezielt den Torwart mehr und mehr unter Druck setzt, was seine Entscheidungen betrifft. Er übt dabei keinen Druck in Form von Geschwindigkeit oder Belastung aus, sondern allein indem der die Aufgabe so verändert, daß der torwart es immer schwieriger hat, aus der Fülle der Möglichkeiten die ideale Lösung zu entwickeln und sich dafür zu entscheiden.
Er meinte, dies sei das allerwichtigste: Der Torwart müsse eine Entscheidung treffen, und diese im richtigen Moment richtig treffen und das wären die BigPoint. Dies ginge nur mit der nötigen Erfahrung.
Und so setzte er Air Bodys ein, um bestimmte Strafraumsituationen nachzustellen, aber auch um die Prinzipien und 3 zu untersuchen. Dabei kam auch immer wieder das Prinzip 5 zum Tragen.
So schaute er sich das Stellungsspiel an, gab Tipps und ließ danach die Torleute in Übungen sich aktiv auf und zum Ball bewegen, um hier das Prinzip 5 zu unterstreichen, aber auch dem Torwart nun die Wichtigkeit aufzuzeigen, daß man an einem Punkt dann bereit zu sein hat, und sich nicht mehr in Bewegung befinden darf. Dies war dann Prinzip 3 rechtzeigt fertig und bereit zu sein. Er verweis auch darauf, daß Prinzip 5 nicht mißverstanden werden darf. Zwar hat sich der Torwart aktiv zum Ball zu bewegen und in den Ball hineinzugehen, doch keinesfalls darf der Torwart die Annäherung und das unter Druck setzen des Stürmers zu übertreiben.
Dies wurde dann bei Übungen im Strafraum klar, wo einfach Position und Distanz wichtig wurden, galt es nun Entscheidungen zu treffen. War eben noch das "Draufschieben" auf den Schützen bei Torschüssen ein probates Mittel zur Torverhinderung, erwies es sich in der Spielnahen Situation als weniger zweckmäßig.
Hier galt es die optimale Position im Torraum zu finden, um sowohl Torwart Eck, als auch Hereingabe oder Torabschluss beim Rückpass sicher zu verhindern.
Bewußt und gezielt forderte er die Torleute heraus und man merkt e deutlich, daß er gezielt die Entschlüsse der Torleute beobachtete und diese auch mehr und mehr in Situationen brachte, wo das finden eines gerechten Entschlusses immer schwerer wurde.
Im wieder kamen Fragen und diskussionen auf, und Hans Leitert kam an vielen Stellen darauf zu sprechen, daß nicht immer die Technik wirklich wichtig oder essentiell sei, ja man ab einer gewissen Leistungsklasse sogar einen Technikfehler eines torhüters als Trainer hinnehmen und leben muss, weil es den idealen, perfekten Torhüter einfach nicht gibt. Vielmehr sei es genau dann eher wichtig, die 5 Prinzipien der Zielverteidugung verstärkt zu trainieren, um een solche Schwächen gezielt zu verdecken und durch bessere Torwartarbeit diese Schwächen weniger belastend zu machen.
Er mahnte daher, immer wieder an, daß es nicht immer eine Lösung gäbe, sondenr diese einfach immer im Kontext und im Zusammenhang gesehen werden muss, und daher Lösungen sich mit der Situation, wie Distanz, Winkel und anderen Faktoren auch immer wieder verändern, weshalb die Technik, wie das Übergreifen, oder das Aufstehen nach einer Parade oft einfach überbewertet werden.
Wir mussten alle ein wenig grinsen, als er angesprochen wurde auf das Aufstehen, weil der Torwart ja dem Spiel nie den Rücken zukehren sollte.
Hans Leitert meinte:
"Bei einer Übung, wo der Torwart links einen Ball abwehren muss, um sofort rechts einen Ball abzuwehren, stand er immer so auf, das er (sein Torwart) sich dem Tor zudrehte...." es war einfach von der Situation abhängig, denn bei einem Schuss an die Querlatte und Nachschuss auf das Eck wo der Torwart lag, kam dies im Spiel nie zum Tragen, so daß er keine Notwendigkeit sah, dies abstellen zu müssen.
Trotzdem würden viele Trainer darauf rumhaken, ohne wirklich zu erkennen, ob von Nachteil oder vernachlässigbar. Oliver Kahn habe dies in vielen Spielen sehr zu seinem Vorteil angewandt, und niemand habe Ihn dafür auch nur ansatzweise kritisiert.
So ging es zum mittag, mit dem Verständnis, daß oft vermeintliche Fehler eher aufgrund eines reichen Repertoire an Techniken entstehen, weil der Torwart etwas erahnt oder weiß und daher einen Entschluss fast und eine Lösung entsteht, die vom Ablauf ökonomisch und am zielsichersten sei.
Und dies war und wird nicht immer eine Lehrbuchlösung sein, was Hans Leitert als nicht tragisch ansieht.
Wichtig sei doch, daß die 5 Grundpfeiler gewahrt bleiben, und daher solche kleinen Details nicht ins Gewicht fallen würden.
Nach dem Essen ging es sogleich auch wieder auf den Platz. Nun standen physisches Training auf dem Programm und der Blick darauf, wie geistig belastbar die Torleute, schon aufgrund der harten Einheiten am Vormittag noch waren.
Dies waren nun Übungen zu Prinzip Nummer 2, Nummer 6 und Nummer 7.
Auch hier konnte man von aussen vermuten, daß es eher einfach Übungen aus dem Vorschulkindergarten waren, doch die geistige Belastung war immens. Dabei war neben einem beständigen Fokus auch immer gefordert, das der Torwart sowohl körperlich aus auch geistig beweglich blieb, um schnell neue Situationen zu erfassen und umsetzen zu können.
Hier wurde neben der Sprungkraft auch die Koordination geschult, die Reaktion und die Stützkraft.
Einfachste Übungen brachten die jungen Torleute der Stuttgarter Kickers an den Rand der Belastungsgrenze... Hans Leitert verstand es, mit wenig Aufwand maximales aus den Leuten ziehen zu können, von aussen oft lustig anzusehen, aber in den Gesichtern der Torleute zeichnete sich ein wahrer Pfad durch die Hölle ab, wobei nur Koordination und Fokus gefragt waren, Reaktion und Balance.
Doch mit wenig Mitteln schaffte er es, auch hier die Wichtigkeit dieser körperlichen Merkmale und geistigen Fähigkeiten aufzuzeigen und zu verdeutlichen.
Wieder wurdne Ausführungen aus seinem Buch deutlicher und verständlicher. Und wieder fand man sich in der Arbeit als Trainer wieder, nahm aber so viel neue Impressionen und Ideen mit, daß der eigene Kopf nicht wirklich ausreichte, all dies zu sammeln und zu speichern.
Es war für mich nicht immer einfach, daß Buch von Hans Leitert zu verstehen. Doch jetzt, wo man es mit seinen Augen gesehen hat, gesehen hat was er meint, wenn er eines der Prinzipien beschreibt und dazu dann entsprechend auch in der Praxis darstellt, erst jetzt versteht man sein Buch wirklich und erkennt den wahren Wert der darin enthaltenen Worte und Gedanken.
Man kann es also nur dann wirklich begreifen, wenn man einfach die Sache klar und deutlich an praktischen Beispielen gesehen und erfahren hat, auch am eigenen Leibe. Hans Leitert ist da sehr direkt und schamlos, aber nur so ist eine Weiterentwicklung auch möglich.
Wenn ein Spieler oder Torwart ständig nur vor dem Trainer kuscht und durckt, sei dies ein Charakterzug, der nicht wirklich der Weiterentwicklung dienlich sei, so Leitert. Ein guter Spiele müsse immer wieder seine eigenen Fehler aufgezeigt bekomen und auch an diesen arbeiten, nur durch Fehler werde man besser.
Ein gutes Training, so Leitert, müsse 25% Fehler produzieren, damit überhaupt eine Weiterentwicklung möglich sei. Würden nur 4 oder 10% Fehler im Training passieren, die Weiterentwicklung wäre deutlich in Frage gestellt, da diese Fehler kaum zu Gewicht fänden und so die aktive Weiterinwicklung einfach hemmen würden.
Keine Fehler würden eine Stagnierung bedeuten und das wäre in keinem Sinn.
Auch müßten Spieler klar Prosition und Willen haben und dies ginge nur, wenn Spieler selbsttätig denken und selbsttätig auch Entschlüsse fassen, so gilt die stille Akzeptanz das zu tun, was der Trainer sagt, ohne auch nur einen Weg der Diskussion und Meinungsverschiedenheit bei Leitert als schlechtes Zeichen. Eine Mannschaft, die von einem übermächtigen Leitwolf angeführt wird, der kein Widerwort und keine Diskussion zuläßt, wäre also nur zu kurzfristigen Erfolgen "verdammt", längerfristiger Erfolg wäre aber nehezu unmöglich, so Leitert.
so stand dann am Ende auch eine allgemeine Diskussion mit Fragen an Hans Leitert auf dem Programm, denn die jungen Torleute hatten viel ertragen und erlitten, und nun stand das Verstehen auf dem Programm.
Es war eine der aussergewöhnlichsten Diskussion oder Frage und Antwortrunden, die ich je erlebt hatte.
Er hatte immer eine Antwort, hatte immer eine Idee.
Wenn sich dieser Trainer dann auf dem Platz manifestiert, so ist es eine ausgesprochen beeindruckende Persönlichkeit, ein Mann, der im Buch nur halb so beindruckend wirkt, als in Wirklichkeit ist. Seine Erfahrung, seine Ausführung und vor allem seine grenzenlose Denkweise machen Ihn zu einer der aussergewöhnlichsten Torwarttrainer dieser Tage.
Seine Präsenz, seine Leichtfertigkeit, es ist nicht irgendwer auf dem Platz, sondern es ist vergleichbar, als wenn man an der Lampe reibt und der Geist kommt daraus hervor.
Nichts erscheint mehr unmöglich.... ja unerklärlich.
Seine Denkweise geht über eine normale Analyse hinaus, er beleuchtet nicht den Punkt, sondern immer einen Gesamtaspekt und dabei kristallisiert sich immer wieder heraus, daß dies dann auf einem oder mehr diese 7 Säulen, den 7 Prinzipien der Meister ruht.
So war nach dem Ende klar, daß man eine Menge mit nach Hause nimmt, eine Menge auch ins Training mitnimmt, man hat einen neuen Schlüssel, der eine Vielzahl von Schlössern und Türen öffnen kann, und es wird eine Menge Zeit brauchen, all die neuen Räume, Wege und damit Möglichkeiten zu erkunden und zu entdecken, die sich damit anbieten.
Da kann man nur sagen:
Hans Leitert, vielen, vielen Dank!
P.S. Vielen Dank auch an Marcel Schäfer, der diese Impressionen ermöglichen konnte