Nunmehr hat sich auch Uli Höneß eingeschaltet und mit bewohnt beleidigter Mimik klar gemacht, dass der "angezählte" Nationaltrainer Löw nun ein Machtwort sprechen muß. Dieser habe schließlich schon Müller, Hummels und Boateng ausgebotet (und damit dem Verein einen millionenschweren finanziellen Schaden zugefügt), da könne man nunmehr Loyalität zu Neuer erwarten.

Man mag auf die Art der Aussagen unterschiedlich reagieren. Aber im Kern hat er ja recht. Wenn ich einen Torwart zur Nr. 1 erkläre, dann sollte ich wissen, was ihn von der Nr. 2 unterscheidet?

Eine andere Sache ist die Fairness. Wenn Löw sein Wort gegeben hat, dass Marc-Andre in einen der beiden Länderspiele seine Einsatzchance bekommt, so gibt es m.E. keinen Grund davon wieder Abstand zu nehmen. Denn auch der Ter Steegen gehört zu den weltbesten Keepern und verdient Vertrauen.

Weder Neuer (noch Ter Steegen) trifft eine Schuld an die Niederlage gegen Holland. Das war m.E. eine (wiederholt) taktische Fehlleistung des DFB-Trainerstabes.

Für mich sind es 2 Faktoren, die Neuer zur Nr. 1 machen:
1. Seine Handlungsschnelligkeit (er trifft häufiger die taktisch richtige Entscheidung)
2. Die Antrittsschnelligkeit (er ist häufiger als Erster am Ball und kann so das weitere Spiel entscheiden

Bei den anderen Faktoren gibt es bessere Keeper. Eine Unart Neuers sind die weit nach unten hängenden Arme, sodass er hohe Bälle aus kurzer Distanz meist nur mit einem Arm erreichen kann. Eine andere Unart sind die Auftakt-Hüpfbewegungen. Aber das ist nun mal "Manu"! Es muß es nicht erklären, weil er diese Unarten durch weitaus effektivere Leistungen vergessen macht.

Auch, wenn es wieder manche "Old-School-TW-Trainer" angemacht fühlen, bin ich der Meinung, dass Neuer durch seine Art die vielfältigen Torwartaufgaben zu lösen, seinen Markenstempel aufgedrückt hat. Das er damit jüngere Keeper damit auf Leistungsdistanz hält, ist bemerkenswert.

Denn wir sehen fast an jedem Wochenende Patzer seiner Kollegen, die Schwierigkeiten bei der Ballverarbeitung mit dem Fuß haben und eben keinen guten Paß zum Mitspieler hinbekommen. Der Fußball wird auch (durch Regeländerungen, z.B.) noch schneller werden, weshalb wir keine mitspielende Nr 1., sondern situativ eine spielende Nr. 11 auf dem Platz brauchen. Denn schaut man sich mal die spezifischen Torwart-Techniken der letzten 20 Jahre an, dann hat es da wenig Veränderungen gegeben, aber das taktische Verhalten (Handlungsschnelligkeit) und die Laufbereitschaft (Antrittsschnelligkeit) haben deutlich zugenommen.

Wir bilden derzeit unsere Keeper in diesen Elementen unzureichend aus, weil die Veränderungen durch Neuers Stärken nicht überall hin gedrungen sind oder nicht hinreichend vertanden wurden. Da werden Prinzipien: z.B. Zielverteidigung gilt vor Raumverteidigung verteidigt ohne zu kapieren, das man sie nicht unabhängig von einander sehen darf, sondern durch präventives Handeln selbst die wenigen Wettkampf-Situationen der Zielverteidigung (wo es meist nur auf TW-Technik ankommt) minimieren kann.

Immer wird 70 % Zielverteidigung im Seniorenbereich bis zum Abwinken trainiert, obwohl die TW-Technik dazu bereits im Jugendbereich erlernt wird. Statt handungs- und antrittsschnelle Keeper besonders zu fördern, suchen wir uns junge, langsame Riesen als Keeper aus. Für mich ist es deshalb kein Zufall, dass die Zahl ausländischer Keeper im Profibereich zugenommen hat.