Also, wenn ich mich kurz einschalten darf?
Ich kann beide Gesichtspunkte sehr gut nachvollziehen, doch langfristig würde ich eher zu striglettis Lösung tendieren. Es geht hier nicht darum ein Kind zu kurieren, dass eine Heidenangst vor Bällen verbunden mit der Assoziation Schmerz hat. So jemanden würdet ihr, mal Hand aufs Herz, nie ins Tor stellen. Ist doch bei den Kindern meist als Erster derjenige im Tor, der keine Angst davor hat, sich hin zu schmeißen oder vom Ball getroffen zu werden. Furchtlosigkeit, also nicht das komplette Überwinden der Angst, sondern eine Grundfurchtlosigkeit ist von größter Bedeutung. Wir reden hier über eine Übung, die einem Torwart die situative Angst nehmen soll (unser Beispiel: 1 gg 1). Diese kann natürlich sowohl aus dem Verletzten des Gegenüber oder aus der eigenen Verletzung in Kontakt mit Gegenspieler und Ball begründet sein. Ich würde es nun als meine Aufgabe als Torwarttrainerin ansehen, meinem Schützling beizubringen, dass Schmerzen manchmal unabdinglich sind und man ihnen durch spezielle Technik oder Entschlossenheit im 1 gg 1 nur bedingt aus dem Weg gehen kann - aber eben zum Teil. Wer hat nicht schon von seinem Trainer gehört, dass man im Zweikampf "unbedingt durchziehen muss". Der Grund dürfte bekanntsein. Bei einem Pressschlag beispielsweise verletzt sich wahrscheinlich derjenige, der passiver zum Ball geht und leicht zurückzieht, weil bei ihm die Muskeln nicht voll angespannt sind. Es ist nur ein Beispiel, wie ich es gelernt habe. Das heißt, ich würde meinem Schützling beibringen, dass jegliches Zögern kontraproduktiv ist und nur zu Schmerzen führen kann, wenn er später als der Gegenspieler am Ball oder eben zum Zeitpunkt des Schusses nicht optimal auf diesen vorbereitet ist. Bei einer optimalen Ausgangsposition ist die Bereitschaft am höchsten und die Reflexe und Reaktionen sehr schnell.
"Oft wird mir angst vor meiner Angstlosigkeit" Toni Schumacher
Ich finde, dass dieses Zitat von Hans Leitert sehr treffend verwendet wurde. Wir Menschen sind ja darauf konzipiert Schmerzen auszuweichen - Beispiele dazu kennt wohl jeder. Torhüter aber nehmen in der Situation der Verteidigung des 16-m-Raumes (z.B. beim Pflücken eines Balles vom Fuß des Gegenspielers) Schmerzen bewusst in Kauf, um bei einer erfolgreichen Aktion diesen Schmerz gegen ein Glücksgefühl eintauschen zu können. Wieso sollte ich meinen Torhüter also lehren, dass ein Ball im Gesicht nicht weh tut? Sicherlich könnte man seinen Schützling so behutsam an das Thema heranführen, aber macht das wirklich Sinn? Irgendwann wird der Keeper unweigerlich mit dem Ball auf eine sehr unsanfte Art und Weise in Berührung kommen.
Der Job eines Torwarttrainers ist es nun, meiner Ansicht nach, den Torwart bestmöglich auf diese Situation vorzubereiten. Der optimale Fall ist es natürlich, von vornherein einen Keeper zu haben, der sich nicht vor einem Zweikampf oder Ballkontakt fürchtet. Wie gesagt, eigentlich ist diese Grundfurchtlosigkeit Vorraussetzung. Haben wir aber einen Keeper, der nur vor 1 gg 1 Situationen Angst hat, dann müssen wir ihm beibringen, den Schmerz zu akzeptieren. Meist schützt ihn die daraus entstehende Furchtlosigkeit auch vor Schmerzen. Ich sage nicht, dass er in jeder Situation auf "Teufel komm raus" durchziehen soll - nicht im Bereich der Unsportlichkeit - sondern, dass er, wenn er den Ball anvisiert und erkennt, dass er ihn sichern kann, bedingungslos zum Ball geht und keine Abstriche macht - nicht für den Gegner, nicht für den Mitspieler, aber auch nicht für sich selbst.
Das ist alles schön und gut gesagt, ich wüsste nicht, wie ich diesen Inhalt richtig mittels Übungen vermitteln könnte. Dazu ist eben nicht jeder zum Torwarttrainer gemacht. Nur halte ich dieses Resultat für das Wichtigste. Die Übung, die Strigletti vorgeschlagen hat ist mit den Einschränkungen, die sowohl er als auch Schnapper angemerkt haben, durchaus gut. Man muss dabei eben als Torwarttrainer sein Fingerspitzengefühl beweisen, weshalb die Übung wahrscheinlich mit einem "Achtungs"-Zeichen versehen werden sollte. Allerdings ist dabei auch das Vertrauen zwischen Torhüter und Trainer sehr wichtig, denn: Wenn ich meinem Trainer vertraue, dass er mir durch diese Übung nicht schaden will, dann fasse ich auch den nötigen Mut mich darauf einzulassen.