Nachdem wir nun *Danke Schnapper* einen eigenen Thread für dieses Thema haben, will ich meine Position ausführlicher erklären.
Ich glaube, dass es unbestritten ist, dass Entwicklungen, die im Profibereich geschehen früher oder später in den unteren Ligen ankommen. Zum Teil ist dieser Transfer gut und sinnvoll, teilweise wird aber auch versucht etwas zu übertragen was aufgrund der verschiedenen Voraussetzungen in den Klubs unterer Ligen eigentlich schlichtweg unmöglich ist; das Chaos, das dabei herauskommt kennen wir alle.
Nun aber zum Thema Torhüterrotation:
Wir sehen in vielen Profivereinen die Tendenz, sich immer später auf die Nummer 1 festzulegen, falls man das überhaupt noch festlegen nennen kann. In vielen Fällen ist es ein Spielen auf Bewährung.
Jürgen Klinsmann und sein Tainerteam haben mit dem Konkurrenzkampf vor der WM 2006 erstmals eine Nummer 1 der Nationalmannschaft wirklich in Frage gestellt und mit ihrer Pro-Lehmann-Entscheidung, die Unantastbarkeit des Trikots mit der Nummer 1 auf höchster Ebene beerdigt. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Entscheidung Lehmann oder Kahn spielen zu lassen richtig war.
Löw setzt dies nun konsequent in der Nationalmannschaft weiter um; er nimmt keinerlei Rücksicht auf das Selbstverständniss einen Torhüters, auf die psychologische Bedeutung Nummer 1 zu sein. Klinsmann hat das mit Rensing und Butt ebenso fortgesetzt. Und vor dieser Saison, war die Nummer 1 in mehr Vereinen umstritten als je zuvor und die Unsicherheit unter den Torhütern lässt sich, an einigen Wechseln und Wechselabsichten deutlich erkennen.
Von den heutigen Feldspielern wird erwartet, dass sie Rotation nicht nur aus Belastungsgründen, sondern auch aus taktischen Gründen ohne Murren akzeptieren. Sie wird ohne Rücksicht auf Namen und Ansehen des Spielers, einzig dem taktischen System oder der Stärken und Schwächen bestimmer Gegenspieler folgend vollzogen. Dies betrifft Verteidiger, Mittelfeldspieler und Stürmer, einzig wir Torhüter sind bislang von diesem Prinzip verschont worden. Sicherlich aus gutem Grund, aber die Frage bleibt, wielange wir diese Sonderstellung noch aufrecht erhalten können.
Klar dürfte sein, dass es auf der ganzen Welt keine zwei Torhüter gibt, die über ein absolut identisches Stärke-Schwächen-Profil verfügen und auch noch exakt gleich gut zu einer Mannschaft passen. Es mag viele Torhüter geben, die legt man eine Checkliste mit Punktsystem zugrunde, auf das gleiche Endergebnis kommen, sich dennoch aber im Stärke-Schwäche-Profil deutlich unterscheiden.
Daraus ergibt sich dann, dass ein Torwart besser zur taktischen Spielweise oder zu den Stärken und Schwächen seiner Mitspieler passt als der andere. Viele Konter oder wenig Konter, kopfballstarke Abwehr, viele Flanken, viele Freistösse usw. sind solche Faktoren, die von der Mannschaft ausgehen. Diese Faktoren muss ich bei der Auswahl meiner "gleich starken" Torhüter berücksichtigen.
Nach diesem Gedankengang liesse sich zum Beispiel fragen, warum sollte Löw sich jetzt schon auf eine Nummer 1 festlegen, wo noch nicht mal klar ist, wer davor spielt. Man braucht eben mehrere Defensivspieler, aber nur einen Torwart und so kann ich das genaue Profil des Einzelspielers Torwart erst dann bestimmen, wenn ich weiss wer vor ihm spielt.
Zieht man diese Gedanken weiter, ist natürlich klar, dass genau diese mannschaftsbedingten Faktoren, welche die Aufstellung des einen oder anderen Torhüters bedingen, abhängig vom Gegner sind. In letzter Konsequenz wäre es also durchaus überlegenswert auch im Tor zu rotieren.
Die Gegenargumentation ist immer, das Torwart und Abwehr aufeinander eingespielt sein müssen, das berühmte blinde Verständnis. Aber dieses Argument verliert zunehmend an Bedeutung, da eben immer mehr rotiert wird.
Und wenn ein Torwart hinter wechselnden Vorderleuten spielen kann, kann ich auch den Torwart austauschen, das ändert dann nämlich überhaupt nichts in Sachen Verständnis.
Wir Torhüter sind mit dem Traum der Nummer 1 gross geworden, aus der Kraft dieses Traums beziehen wir die Leidenschaft für unseren schweren Job als Torwart auf dem Platz. Aber zwischenzeitlich heissen wir Torspieler und Spieler gibt es 11 auf dem Platz, wir sind nur noch einer von vielen und somit austauschbar geworden. Aber wir haben einen Weg uns dagegen zu wehren. Wir müssen in allen Teilbereichen des Torwartspiels die besten sein, dann passen wir nämlich hinter jede Mannschaft.....Es wird härter sein denn je, die Nummer 1 zu bekommen, aber der Kampf wird sich lohnen.




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