Dexter – Staffel 1

Dexter – der nette Serienkiller von nebenan. Was für eine tolle Grundidee für eine TV-Serie. Basierend auf dem Roman „Darkly Dreaming Dexter“ von Jeff Lindsey (fange ich im Übrigen gerade an zu lesen), sehen wir einen Menschen in dem wir uns wiederfinden, mit dem wir sympathisieren und doch wissen wir nicht ob wir seine Taten akzeptieren sollen oder nicht. Dexter tötet zwar aus Prinzip nur andere Mörder, allerdings wird trotzdem bewusst mit dem Gewissen des Zuschauers gespielt, was die Serie im Grunde ausmacht. Die hitzige Atmosphäre duelliert sich mit dem eiskalten Dexter, doch auf der anderen Seite symbolisiert sie meiner Einschätzung nach die brenzlige Lage zwischen verdrängen und Vernunft, das brodelnde Ungewisse in ihm. Und Hauptdarsteller Michael C. Hall, bekannt aus Six Feet Under, ist diese Rolle wie auf den Leib geschnitten. Seine Mimiken sind in jeder Situation perfekt und man nimmt ihm diese immer ab. Wirkt er in den Tötungsakten wie ein eiskalter Killer mit einem Lächeln auf den Lippen das einem eine intensive Gänsehaut über den Körper jagt, so ist er in den alltäglichen Lebenslagen völlig verloren. In seinem Beruf als Forensiker geht er wiederum wunderbar auf, hatte er dadurch doch den Zugang zu seiner im wahrsten Sinne des Wortes mörderischen Passion.

Auf seinem Weg begleiten ihn seine impulsive Schwester Debra, die im gleichen Dezernat als Polizistin angestellt ist, sowie die dort angehörigen Mitarbeiter Angel, Masuka, seine Chefin La Guerta und der chronisch misstrauische Doakes, den man eindeutig in die Sparte „Bad Cop“ einstufen kann. Die größte Beziehung zu Dexter hat allerdings die schüchtere, hübsche zweifach Mutter Rita, mit der es nicht nur auf sexueller Basis äußerst verkrampft zugeht.

Ganz wichtig zum Verständnis von Dexters Seelenleben sind die Flashbacks, die seine Jugend als verstörten Einzelgänger porträtieren. Einen gravierenden Teil nimmt hier Dexters Adoptivvater Harry, gefeierter Polizist, ein, weil er als einziger von den Mordgelüsten seines Sohnes weiß und sich diesen infolgedessen annimmt, um schlimme Folgen im Keim zu ersticken. Harry Lehrt Dexter einen Kodex, den dieser für den Rest seines Lebens beibehalten sollte…

Der Fixpunkt dieser 12-fölgigen, brenzlig intensiven Staffel ist jedoch ein Unbekannter. Bereits in der Pilotfolge wird ein Killer vorgestellt, der seine Opfer nicht nur zerstückelt, sondern auch einfriert und wie ein Puzzle zusammensetzt. Wir als Zuschauer können uns nur in den untiefen unseres Geistes vorstellen, welches Monster hinter diesen Grausamkeiten steckt. Und just in dem Moment in dem wir erfahren, dass dieser Unbekannte scheinbar weiß wer Dexter ist, konstruiert sich ein perfides Gebilde in unseren Vorstellungen und alles wird zu einem klaustrophobischen Balanceakt aus Nervenkitzel und Therapie. Das Katz und Maus Spiel wird bis zum Schluss auf den absoluten Höhepunkt getrieben, sodass es fast zu mitreißend ist, die gesehen Bilder sind fast schon unbegreiflich (ohne S.cheiß).

Denn Dexter ist zum Teil eine einzige Therapiestunde. Die gelegentlichen Exkurse in Dexters Kopf (viele voice-overs) sind nicht weiter als Reflektionen unsere tiefsten, dunkelsten Antriebe. Viele dieser Szenen haben eine so enorme Kraft, dass sie näher gehen als die meisten anderen Serien oder sogar Kinofilme.

Bestechend durch starke Darsteller, eine geniale Optik, sowie herausragendes Storytelling, ist Dexter trotz einkehrender Logikfehler eine atemberaubende, zynische Charakterstudie mit philosophischen Einflüssen auf den Zuschauer. Für zartbesaitete ist dieses blutige Unterfangen vielleicht nicht, alle anderen sollten einen Blick riskieren.

10/10