Keinen Fehler machen.
Sich nicht verstecken können.
Nur wenige Situationen, sich in den Augen der Zuschauer, auszeichnen zu können. Ja, ich meine die tollen Paraden.
Alles andere wird sowieso nicht gesehen.
Wie, wird nicht gesehen?
Nein, es wird, durch Unwissenheit bedingt, nicht registriert von den meisten Zuschauern, Trainern und Mitspielern.
Nehmen wir, zum besseren Verständnis, ein Spiel in dem der Torwart während der neunzig Minuten eine Parade machen und eine Flanke pflücken musste.
Acht Abschläge und drei Bälle kamen auf Mann.
„Du hattest aber heute einen ruhigen Nachmittag.“, lautet dann die Analyse der meisten Zuschauer.
Von wegen ruhiger Nachmittag.
Ich versuche jetzt einmal zu erklären, warum dieser Torwart in diesem Spiel ca. zwei Kilo abgenommen hat.
Mit Sicherheit nicht, weil er vor Angst geschwitzt hat.
Der Torwart ist der einzige auf dem Feld, der sich über diese neunzig Minuten voll konzentrieren muss, um zum Beispiel den einen so genannten Unhaltbaren,
der garantiert irgendwann kommt, parieren zu können.
Er muss jede Bewegung des Balles mitmachen. In der Nähe seines Tores macht er das mit einer komplett angespannten Muskulatur.
Auf jeden Schussversuch, auch wenn der Ball das Gehäuse nie erreicht, muss
er voll angespannt reagieren.
Das ist genau so anstrengend, als hätte er den Ball halten müssen.
Immer bereit sein dazwischen zu hauen, immer bereit sein, den Schuss parieren zu können - auch wenn der nicht kommt.
Dinge analysieren und blitzschnelle Entscheidungen treffen:
Wo schlägt der Schuss denn ein?
Unten links?
Halbhoch links?
Oben links?
Unten rechts?
Halbhoch rechts?
Oben rechts?
Vor mir?
Hinter mir?
Hart geschossen?
Abgefälscht?
Geschnibbelt?
Aufsetzer?
Vom Fuß abgerutscht?
Volley.
Nicht richtig getroffen?
Nasser Boden?
Trockener Boden?
Acker?
Wind?
Angetäuscht?
Flanke?
Pass?
Wir Torhüter müssen immer da sein.
Immer höchste Konzentration.
Auch wenn der Ball vorne ist. Ein Fehler des Mitspielers, und die Kartoffel ist wieder da.
Wir müssen als ständig bereit sein, komplexe Situationen zu erkennen,
um erfolgreich organisieren zu können.
Welch eine Belastung.
Durchgehend über neunzig Minuten.
„Der steht doch nur herum.“
Deshalb muss er doppelt soviel trainieren als der Feldspieler.
Für seine Tätigkeit als Torwart.
Für seine Tätigkeit als Feldspieler.
Niemand will das sehen.
Niemand will das wahr haben.
Niemand ändert das Training.
Niemand glaubt, wie groß der tatsächliche Einfluss des Torhüters auf das Spiel der gesamten Mannschaft ist.
Selbstverständlich auch in negativer Hinsicht
Dazu ein Beispiel:
Bei der einen Mannschaft spielt ein junger Torwart (weil der Stammtorwart
verletzt ist) und produziert eine Unsicherheit nach der Anderen.
Die Feldspieler beider Mannschaften scheinen sich anzupassen und produzieren, neben den sowieso allgemein üblichen `Stockfehlern´, auch noch ein Fehlpass-Festival wie man es selten gesehen hat.
Der Einzige, der am nächsten Tag zerrissen wird, ist der arme Schnapper.
Und der kann unter Umständen noch nicht einmal etwas dafür.
Wenn der Trainer dessen Leistungspotential im Vorfeld objektiv hätte
beurteilen können, hätte er ihn niemals den `Wölfen zum Fraß´ vorwerfen
dürfen.
Für den Fall, dass dieser Torwart zukunftsorientiert aufgebaut werden sollte,
kam dieser Einsatz viel zu früh.
Je nachdem über welchen mentalen Zustand er verfügt, kann es sein, das er für ganz lange Zeit `verbrannt´ ist.
Der Torwart war einfach noch nicht so weit. Mental schon gar nicht.
Wer hat jetzt den Fehler gemacht?
Ein ahnungsloser Trainer? Ja, ich denke schon.
Im Training hat das so gut ausgesehen.
Da war der richtig gut. Immer wieder hat er seine Qualitäten unter Beweis gestellt.Der hat sich seine Aufstellung verdient.
Training, Freundschaftsspiel und Meisterschaftsspiel sind eben 3 verschiedene Dinge.
Zunächst einmal muss alles was der Schnapper umsetzen soll im Training funktionieren. Der zweite Schritt ist, das er lernt das Gelernte im Freundschaftsspiel umzusetzen. Der dritte Schritt, der ist dann gewaltig.
Im Meisterschaftsspiel umsetzen.
Da besteht eine ganz andere mentale Stress-Belastung.
Da zeigt sich dann, ob dass, was er gelernt hat, in Fleisch und Blut
übergegangen ist.
Ob er bereit ist.
Aber nicht erst dann.
Derjenige, der sich ernsthaft mit ihm beschäftigt hat, der weiß das auch vorher.
Der sieht das.
Der weiß, ob mentale Stress-Situationen seine technischen Abläufe negativ beeinflussen.
Oder eben nicht.
„Aber der hat doch einen guten Torwart-Trainer“ sagen dann alle.
"Der war selber mal ein super Torhüter.
Der muss das doch wissen und können."
Erst Torwart.
Dann Torwart-Trainer.
Die beiden Berufe trennen Welten.
Für einen Feldspieler sind das Universen.