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Thema: Psychischer Druck nur bei Profis oder auch bei Amateuren?

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  1. #1
    torwart.de-Team Avatar von Schnapper82
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    Danke für eure vielen Meinungen und Berichte.

    Ich kann ja ersteinmal nur für mich sprechen und sehe es im Prinzip so wie Steffen, denn der Druck, den man sich selber macht, der kann lähmen.
    Wozu Druck machen. Man weiss doch im Prinzip was man kann. Klar ist man Ehrgeizig, aber man sollte doch jede Minute auf dem Platz geniessen, denn es kann schnell vorbei sein mit Fussball und das aus den verschiedensten Gründen. Beruf, Verletzung, Umzug, was auch immer. Also geniesse ich jede Minute auf dem Spielfeld, da ich den Sport liebe.

    Der Druck von intern, also aus der Mannschaft, vom Trainer und vom Vorstand ist da schon ernstzunehmender, denn hier geht es um das, was den meisten Menschen leider am meisten bedeutet - Geld.
    Patzt man hier, kann es der Mannschaft die Prämie kosten, dem Verein einen Sponsoren, dem Trainer seinen "Job". Das ist dann Druck, mit dem man umgehen muss. Man muss lernen dieses zu ertragen. Ist es so schwer? Nein, denn in erster Linie soll Fussball im Amateurbereich halt Hobby bleiben, auch wenn manchmal enorme Summen an Geld fließen.
    Hier sehe ich den Verein aber auch in der Pflicht sich um einen kompetenten TWT zu kümmern, der nicht nur mit dem Torhüter trainiere soll, sondern auch eine Art Vertrauter sein muss. Ein Psychologe sozusagen für den Keeper. Denn sind wir mal ehrlich: Mit welchem Trainer oder Mitspieler oder aber auch FUnktionär kann man wirklich über das TW-Spiel reden? Richtig! Mit keinem, denn diese Menschen glauben an Floskeln: "Moderner Torwart"; "Alles im Fünfer muss der Torwart haben!"; "Auf der Linie nen ganz guter aber dann...ui"; "Torwartecke, den muss der doch haben!"
    Diese Dinge kann und soll man nicht verallgemeinern, also bildet sich um einen Torhüter eine Art "Aura der Arroganz!", ein Schild, dass den Keeper hart werden und erscheinen lässt, denn wer will einen weichen Keeper, einen Waschlappen. Und jetzt sind wir an dem Punkt, wo es nach hinten losgehen kann. Es interessiert nämlich im Normalfall niemanden, ob der Torhüter mit diesem Druck klar kommt oder halt nicht. Patzt er, wird er ersetzt. Ich kenne viele junge Keeper, die an solchen Dingen zerbrochen sind. Sie haben aufgehört mit dem Fussball, weil sie diese Dinge nicht ertragen konnten. Jeder Mensch ist anders und jeder Mensch geht anders mit Kritik um. Egal ob berechtigte Kritik oder unberechtigte.

    Der Druck, der von den Medien entsteht ab einer gewissen Spielklasse ist natürlich auch nicht zu verachten. Da wird geschrieben, was man will. Draufgehauen ohne Ende und jeder geht anders damit um, wenn er angesprochen wird oder es sogar nur liest.
    In stillem Gedenken an Spideratze und Robert Enke.
    Lasst uns rausgehen und Bälle fangen, Spiele gewinnen und was noch viel wichtiger ist:
    Lasst uns jede Sekunde des Lebens leben und geniessen - nichts ist für immer ! ! !

  2. #2
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    Ich kann zu dem Thema auch etwas beisteuern, da ich letztes jahr wirklich beinahe an dem Druck zusammengebrochen wäre und die Handschuhe für immer an den Nagel hängen wollte.
    Kurz der Sachverhalt:
    Hatte bei meiner ersten Herrenstation ein überragendes Team mit einem riesen TW-Trainer, etc. Hab mich dann auch schnell eingefunden und mich über 5 jahre immer weiterentwickelt und super gehalten da ich immer die Unterstützung von allen hatte auch wenn ich mal nen fehler gemacht habe. dies hat aber auf alle Spieler, von mir bis zum Stürmer zugetroffen, jeder durfte Fehler machen. Wir waren dann auch sehr erfolgreich und sind 2x hintereinander aufgestiegen und haben die klasse immer gehalten (wenn´s auch trotzdem niederklassig war).
    Da dann private veränderungen kamen und ich umgezogen bin war mir der WEg zu weit und ich bin zu nem höherklassigen Verein in meinem neuen Ort gewechselt die schon 2 jahre vorher angefragt hatten.
    Das erste Jahr lief noch gut, gleich den Aufstieg geschafft. Das zweit jahr war ein Katastrophe. Ich habe zu Beginn nicht wirklich gut gehalten aber die komplette Mannschaft hat schlecht gespielt.
    Das Schlimme war das die Schuld hintenrum immer mir zugeschrieben wurde was ich nur manchmal zufällig mitbekommen habe. Solangsam hat sichs dann aber auch bemerkbar gemacht das sich die mannschaft von mir distanziert durch verschiedenes Verhalten der MItspieler.
    Zu dieser Zeit war für mich Fussball das schlimmste was ich mir vorstellen konnte, ich wollte nicht zum training habe oft abgesagt und am Tag des Spiels wollte ich nicht aufstehen oder das Haus verlassen. Da ich aber der einzige TW war hab ich mich halt doch aufgerafft, immer mit dem gleichen ergebnis das ich keine spaß hatte und selbst bei gegentoren wo die abwehr gepennt hat noch die fehler bei mir gesucht wurden.
    Zur winterpause wurde dann ein neuer TW für viel Geld verpflichtet und ich hab mich nach der Winterpause nicht mehr blicken lassen, weil ichs nicht ausgehalten hab und wirklich Angst vorm Training hatte.
    Ich hab dann bis zum Sommer nichts gemacht, mich nur durch joggen, etc fitgehalten. Dann hab ich vom Verein aus dem Nachbardorf (zweitniedrigste Liga) ne Anfrage bekommen und habe zugesagt, und es war das beste was ich machen konnte. Die mannschaft ist vergleichbar mit meiner ersten Station, alles super und es passiert nichts hintenrum, und ich hab wieder richtig spaß und halte gut.
    Aber meine Erkenntnis ist das man auch im Amateurbereich durchaus psychische Probleme bkeommen kann, nicht nur wenn man sich selber Druck macht sondern wenn man weiß was hinter dem Rücken über einen geredet wird.

  3. #3
    Internationale Klasse Avatar von strigletti
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    Zuerst mal mein Dank an Schnapper für die Eröffnung dieses Threads.

    „Psychischer Druck nur bei Profis oder auch bei Amateuren“ ist eine Frage, die sich mit einem klaren Ja beantworten lässt, da Druck letztendlich immer aus der Differenz zwischen der eigenen Erwartungshaltung und dem gefühlten eigenen Leistungsvermögen entsteht. Aus diesem Grund kann psychischer Druck immer und überall und bei jedem entstehen. Es ist daher notwendig, sich beide Faktoren näher anzusehen, um zu verstehen, wie es zu diesem Druck kommt.

    Die eigene Erwartungshaltung wird aus vielen Bausteinen zusammengesetzt, die aus einem Wechselspiel mit unserer Umwelt entstehen. Zunächst sind wir Torleute und das Wesen des Torwartspiels besteht darin, dass es sicherheitsorientiert ist, also keine Fehler erlaubt; im Gegensatz dazu sei der Stürmer genannt, der einen Volley mit vollem Risiko Richtung Tor hämmert, egal wo der Ball landet. Jeder weiss im Grunde aber auch, dass Fehler ein Merkmal der menschlichen Natur sind, und sich daher nicht immer vermeiden lassen. Unsere Umgebung setzt diese menschliche Grundeigenschaft aber für Torhüter allzu oft ausser Kraft und lässt uns dies auch spüren. Sätze, wie „Du darfst heute keinen Fehler machen“, „Da hast du heute wieder daneben gegriffen“ oder „den musst du haben“ gehören für uns zum Alltag.

    Derartige Worte hören wir von unseren Mitspielern, dem Trainer, den Zuschauern oder eben auch den Medien und unserem sozialen Umfeld wie Familie, Beruf, Schule oder Freundeskreis; unabhängig davon, ob wir Profi oder Amateur sind. Da gibt es nämlich nur einen wesentlichen Unterschied: Die Kritik am Profi findet in breiter Öffentlichkeit statt und ist in der Masse angelegt und somit, trotz persönlicher Angriffe, gewissermassen anonymisiert und oft nicht greifbar. Der Amateur dagegen steht meist in ständigem persönlichen Kontakt mit denen, die mehr von ihm erwarten und er muss diese Angriffe oft Auge in Auge mit seinem Gegenüber hinnehmen. Diese Problematik wird durch das allgemeine Unverständnis des Torwartspiels zusätzlich verschärft, so dass zum einen viele Angriffe ungerechtfertigt sind und zum anderen eine Verteidigung nur sehr schwer möglich ist.

    Durch die Nullfehlertoleranz, die dem Torwartspiel zugrundeliegt kommt es zu einem weiteren Problem für den Amateurspieler. Jeder kennt die Paraden eines Lehmann, Neuer, Adler, Wiese etc. aus dem Fernsehen und erwartet die gleiche Leistung von einem Amateurkeeper. Im Gegensatz dazu, erwartet niemand von einem Kreisliga-Feldspieler ein Hochgeschwindigkeitsdribbling ala Robben. Warum? Ganz einfach, der Feldspieler hat das Recht Fehler zu machen, ganz im Gegensatz zum Torwart. Deswegen wird beim Feldspieler Müller1 mit Müller2 und Müller3 verglichen, während der Kreisliga-Keeper mit National- und Welttorhütern verglichen wird.

    So wird von aussen eine Erwartungshaltung erzeugt und von vielen Torleuten leider übernommen und verinnerlicht, die weit über ihrem abrufbaren Leistungsvermögen liegt. Und diese Diskrepanz wird als Druck spürbar; ein psychischer Druck, der sich meist auch leistungsmässig negativ bemerkbar macht und so zu noch mehr Druck führt. Ein Teufelskreis indem sich viele Keeper in unteren Ligen befinden. Für uns gibt es nur einen Ausweg aus diesem Dilemma: Eine realistische Erwartungshaltung an unsere Leistung, im Wissen um unser Können, aber auch um unsere Fehlerhaftigkeit.

    Dazu muss man sich im Klaren sein, dass es Fehlerlosigkeit nicht gibt und es immer nur darum geht unsere Fehler zu minimieren und dass wir trotz allem Leistungsanspruch im Grunde nur eines tun: Wir spielen ein Spiel – weil es uns Freude macht!

    Ich persönlich habe nie Druck empfunden, denn ich wusste immer was ich kann und habe versucht genau dies zu spielen. Ich war nie ein Sepp Maier oder Oliver Kahn, sondern immer nur strigletti und habe das gespielt, was strigletti konnte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
    Stell dir vor, du gehst in dich - und keiner ist da

    Wer glaubt es reicht, wenn man bis zum Umfallen kämpft irrt sich...kämpfe darum Aufzustehen!!!

  4. #4
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    Das mit dem Druck ist immer so eine Sache, der eine ist total unglücklich über ein Gegentor in der 90. der andere sagt sich was soll es. Ich habe mir da nie Gedanke drüber gemacht. Mal geht in der 90. einer rein, mal hält man in der 90. einen entscheidenden 11er, oder löst eine 1vs1 Situation. Ich habe immer versucht das beste zu geben, und wenn das klapp selbst wenn ein Ball in der 90. reingeht kann man damit schon umgehen denke ich.
    Ich würde die Situation als Profi wohl ziemlich ähnlich sehen, nur das man da etwas mehr Druck von den Medien hat. Und ich will damit auch ganz klar sagen, wer soviel Geld mit Fußballspielen verdiennt muß diesen Druck auch aushalten können.
    Jeder von uns muß in seinem Beruf auch Druck aushalten können egal auf welche Art. Ich arbeite in einer Baubranche im AD wo nur ein Grundgehalt zw. 30 und 50% bezahlt wird, und der rest läuft über Provision, was das in der jetzigen wirtschaftlichen Lage am Bau bedeutet sollte eigentlich jedem klar sein, da hat man auch Druck wenn die Umsätze nicht passen.
    ¡¡ɹɥǝɯ ǝuıǝʞ ɥɔı ǝqɐɥ ʇzʇǝɾ 'ßoɹƃ nz ɹɐʍ ɹnʇɐuıs ǝuıǝɯ

  5. #5
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    Zitat Zitat von strigletti Beitrag anzeigen
    Ich persönlich habe nie Druck empfunden, denn ich wusste immer was ich kann und habe versucht genau dies zu spielen. Ich war nie ein Sepp Maier oder Oliver Kahn, sondern immer nur strigletti und habe das gespielt, was strigletti konnte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
    Ich beneide dich gerade zutiefst. Da wo du bist will ich hinkommen, aber es fällt mir sehr schwer. Ich schaff es nicht einfach das zu spielen was ich kann, da ich immer im Hinterkopf habe ich kann mehr können. Damit mein ich jetzt kein fehlerfreies spielen, nur es ist schwer mit dem momentanen Training was ich abbekomme zu akzeptieren, dass nicht mehr möglich ist.

    Und ich denke das ist der schwierigste Druck, der Druck von innen, den gibst bei den Profis wie bei den Amateuren.
    Fliegen ist der Versuch, sich auf den Boden zu werfen und nicht zu treffen.

  6. #6
    torwart.de-Team Avatar von Steffen
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    Doro,
    die Aufgabe des Torwarttrainers ist es auch, dem Schützling immer wieder Grenzen aufzuzeigen.
    So weiß man schnell, wo man kann und wo man nicht kann.
    Wo man nicht kann, arbeitet man immer wieder, damit es besser wird, aber oft ist und bleibt es eine Grenze...
    Denn ich kann noch soviel Armmuskulatur haben, noch so viel Flattern üben, ich werde nie mit dem Adler um die Wette fliegen können.
    Also muss ich diese Grenze entdecken und auch akzeptieren.

    Und wenn man für sich das Gefühl hat, daß da mehr geht, muss man schauen, daß man jemand findet, der einem hilft, das mehr zu entwickeln, oder aber auch aufzuzeigen, daß man sich vielleicht etwas einbildet.

    Beispiel: Ich kenne jemand, der Träumt als Kampfsportler davon, einen tollen RoundHouse Kick oder einen High Sidekick zu beherrschen. Wie oft stand er vor einem der typischen Lichtschaltkästen an der Strasse und meinte dann:
    Gugg, irgendwann, irgendwann kick ich die Flasche runter.
    Er hat eine Aduktorenverkalkung und Aduktorenverhärtung. Er wird das nie können, aber er hat das Gefühl, es irgendwann zu können... er weiß sogar, wie es sich anfühlt...
    Er wird es nie können... die Einsicht, daß dies so ist, sie ist noch nicht da...

    Naja und jetzt hat er einen neuen Trainer. Der hat Ihm unmissverständlich klar gemacht: Das ist nicht wichtig. Wichtig ist eher, aus den eigenen körperlichen Gegenbenheiten das Beste zu machen, anstelle von etwas zu träumen was nie geht, und daher einfach alles andere auf der Jagd nach diesem Traum zu vernachlässigen und deshalb eine richtige Rübe zu sein.
    Lassen wir das, war nie eine Leuchte...

  7. #7
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    Avatar von Believer
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    Das ist wirklich eine sehr weise Lebenseinstellung, strigletti & Steffen und diese Gelassenheit ist sicher beneidenswert. Ich muss mich Doro anschließen.

    Wo sind denn die Grenzen? Wo man nicht weiter kommt oder wo man nicht weiter kann? Und wie unterscheide ich das eine vom anderen?
    Ich bin nicht nur einmal zu dem Schluss gekommen, dass es wirklich einen Sinn hat, wenn Gläubige diese speziellen Sätze in der Kirche beten.
    Gerade bei den Träumen stößt man von der einen Mauer auf die andere, doch welche ist aus Pappe und welche aus richtigem Stein? Dann ist man gefangen zwischen diesen Hindernissen, ob nun unüberwindbar oder nicht, pflastert sich den Kopf mit Sätzen wie "der Geist limitiert den Körper" oder "das unmögliche kann man nur austesten, in dem man sich über die Grenze des Unmöglichen hinauswagt" zu und schwebt am Ende im Zwischendrin. Meantime so gesehen.
    "Bangerang"

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  8. #8
    torwart.de-Team Avatar von Schnapper82
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    Believer, glaub mir, ein guter TWT sieht sehr schnell, wo deine Grenzen sind, die nicht überflogen werden können.
    Das ist auch seine Aufgabe..
    In stillem Gedenken an Spideratze und Robert Enke.
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    Lasst uns jede Sekunde des Lebens leben und geniessen - nichts ist für immer ! ! !

  9. #9
    Internationale Klasse Avatar von strigletti
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    Ich will an dieser Stelle mit euch mal einen kleinen Ausflug in den Zusammenhang zwischen psychischen Druck und Leistung wagen. Ich denke das ist einfach erforderlich, um zu verdeutlichen, welche Rolle der „Kopf“ wirklich spielt. Wie stellt sich also der Zusammenhang zwischen dem empfundenen Druck und sportlicher Leistungsfähigkeit dar?

    Dazu müssen wir drei Begriffe voneinander trennen: Stress, Angst und Druck

    Der Begriff Stress wird in der Regel sehr weit gefasst und beschreibt Situationen, die mit erhöhten Anforderungen an eine Person verbunden sind, wobei die kognitive Bewertung der Situation darüber entscheidet, ob dieser Stress als Herausforderung, Bedrohung oder Schaden eingestuft wird. Angst resultiert dann, wenn die Stresssituation als Bedrohung wahrgenommen wird. Diese Bewertung kommt durch einen Vergleich zwischen der Ereigniseinschätzung (z. B. „Spiel des Lebens“) und der Ressourceneinschätzung (also „was kann ich“) zustande.

    Beim Begriff Angst müssen wir zwei Bereiche unterscheiden: Zunächst ist zwischen Angst als Zustand (Zustandsangst) und als Persönlichkeitseigenschaft (Ängstlichkeit) zu unterscheiden. Dabei zeigt sich, dass ängstliche Personen in bedrohlichen Situationen mit einem stärkeren Anstieg der Zustandsangst reagieren. Bei der unmittelbaren Auswirkung von Angst zeigt sich eine kognitive Komponente (Besorgnis) und eine somatische (körperliche) Komponente; letztere wird auch als „physiologische Erregtheit“ bezeichnet.

    Zusammengefasst bedeutet dies, dass in Wettkampfsituationen häufig Bedingungen vorliegen, die zu einer gesteigerten Bedeutung der Leistung führen. Damit ergibt sich eine Stresssituation, die in Abhängigkeit der kognitiven Bewertung entweder als Herausforderung oder als Bedrohung wahrgenommen wird. Im letzteren Fall resultiert daraus ein Anstieg der Zustandsangst, was in den beiden Komponenten der Angst zum Ausdruck kommt.

    Der Begriff Druck ist im Grunde nur die Überschrift, über die oben beschriebenen Vorgänge. Wenn im Folgenden von Druck oder Drucksituationen gesprochen wird, dann gehe ich immer von einer als belastend wahrgenommenen und zu einem Anstieg der Zustandsangst führenden Situation aus; wie man einen positiven Umgang mit diesem Thema findet, wird an anderer Stelle ein Thema werden. Sobald wir Druck empfinden erhöht sich unsere physiologische Erregtheit; zur Verdeutlichung eine kleine Grafik.


    Für uns Torhüter sind zwei Bereiche von elementarer Bedeutung: Zum einen müssen wir komplexe Spielsituationen analysieren und die richtigen Schlüsse für unser Verhalten daraus ziehen ( Beispiel: Beim Eckball brauchen wir nicht nur die Flugbahn des Balles, sondern sollten nach Möglichkeit auch noch das Verhalten von Freund und Feind richtig einschätzen; wer kommt wie an den Ball, wer läuft wohin und wo ist unser Laufweg zum Abfangen usw.). Zum anderen müssen wir in der Lage sein, komplexe koordinative motorische Leistungen (unsere Torwarttechniken) in hoher Geschwindigkeit umzusetzen, um Bälle abzuwehren.

    Eine zu hohe Besorgnis führt zur Störung von den Aufmerksamkeitsprozessen, die für eine erfolgreiche Ausführung einer Aufgabe erforderlich sind. Dies macht sich insbesondere bei der Bewältigung komplexer Spielsituationen bemerkbar. Diese Aufmerksamkeitsstörungen führen nämlich dazu, dass erforderliche Informationen nicht zur Verfügung stehen oder nicht angemessen verarbeitet werden können. Konkret hat das drei Folgen, die sich leistungsmindernd bemerkbar machen.

    Eine weniger selektive Wahrnehmung führt zu einem Anstieg der zu verarbeitenden Informationsmenge, sodass für die Verarbeitung der relevanten Informationen keine ausreichenden Kapazitäten zur Verfügung stehen.
    Die aufgenommene Informationsmenge bleibt gleich, jedoch wird der Aufmerksamkeitsfokus auf unwichtige Informationen gerichtet. Dabei werden bei Personen mit erhöhter Angst selbstbewertende Prozesse wirksam, die Aufmerksamkeitskapazitäten benötigen. Dies führt dann zu einer Behinderung bei der Verarbeitung von Informationen zur eigentlichen Aufgabenlösung.
    Mit zunehmender emotionaler Aktivierung kommt es zu einer Verengung bei der Aufnahme und Verarbeitung von Umweltreizen. Dies kann anfangs zu einer Leistungssteigerung führen, indem der Aufmerksamkeitsfokus auf aufgabenrelevante Informationen reduziert wird und irrelevante Informationen ausgeblendet werden. Eine weitere Verengung des Fokus führt dann dazu, dass aufgabenrelevante Informationen nicht mehr verarbeitet werden und somit Leistungseinbußen entstehen.

    Ensteht durch einer dieser Faktoren ein Tor und man spricht den Torhüter darauf an, so wird er uns in folgende Richtung antworten: „den hab ich übersehen“ , „ich dachte, der kommt da nie hin“, „das habe ich irgendwie nicht registriert“ etc. oder aber „ich war mir nicht sicher, ob...“. Von Außen betrachtet, nimmt man dies oft als Zögern des Torhüters wahr, das man auf ersten Blick nicht erklären kann; in Wahrheit spielt das gerade beschriebene Geschehen in unserem Kopf, die entscheidende Rolle. Bemerkt der Torwart selbst, dass er Probleme hat, führt das zu einer weiteren Verunsicherung und das Problem verschärft sich. So entstehen dann viele Formkrisen.

    Nun komme ich zu den motorischen Auswirkungen von Druck und damit zu den Problemen, die im Bewegungsablauf und der Ausführungsgeschwindigkeit der Techniken sichtbar werden. Fachlich gesehen stellt eine Torwarttechnik eine in sich geschlossene Fertigkeit dar, da sie vom Beginn bis zum Ende als eine Handlung abläuft; wir Torleute sprechen dabei immer von einem Automatismus, den wir abrufen. Bei diesen Fertigkeiten sind die Umwelteinflüsse stabil, sodass die Bedeutung der Aufmerksamkeitsressourcen nur noch als minimal einzustufen ist.

    Hier ist davon auszugehen, dass die Aufmerksamkeit in Drucksituationen auf den Ausführungsprozess gelenkt wird (internaler Fokus) und damit wird der automatisierte Handlungsablauf gestört, was zu einer Verminderung der Leistung führt. Um diesen Vorgang zu verstehen, werfen wir einen Blick darauf, wie wir den Automatismus erlernt haben. Die qualitativen Unterschiede von Bewegungsausführungen im Lernprozess werden als das Resultat unterschiedlicher Informationsverarbeitungsprozesse gesehen. Dabei geht man davon aus, dass langsame und wenig fließende Bewegungen zu Beginn des Lernprozesses eine aufmerksam kontrollierte „Schritt für Schritt“-Ausführung widerspiegeln. Durch zunehmende Automatisierung mittels häufigen Trainings, entsteht eine scheinbar mühelose, schnelle und fließende Bewegungsausführung. Eine Zuwendung der Aufmerksamkeit ist dann nicht mehr erforderlich, sie kann auf andere Aspekte (z. B. die Position der Mitspieler) gelenkt werden; dies wird auch als externaler Fokus bezeichnet.

    In Drucksituation kommt es also zu einer leistungsmindernden Fokusverlagerung von außen nach innen, die noch einen weiteren Effekt auf uns hat. Nur wenn wir nach außen fokussiert sind, können wir antizipieren und das ist enorm wichtig für den rechtzeitigen Beginn der Aktion. Denn die Grundlage unseres Handelns ist die Vorwegnahme (=Antizipation) eines zeitlich nachfolgenden Effektes, die man als Bewegungs-Effekt-Assoziation bezeichnet. Nach dem Erwerb derartiger Bewegungs-Effekt-Assoziationen reicht alleine die Vorstellung des angestrebten Effektes aus, um diejenige Bewegung zu aktivieren, die diesen Effekt erfahrungsgemäß verlässlich erzeugt. Jetzt haben wir ganz nebenbei auch geklärt, was sich hinter dem Begriff „Timing“ verbirgt. Stellt man sich das jetzt als Regelkreis vor, so beinhaltet eine einzige komplexe Torwartaktion nahezu unvorstellbar viele solcher aneinandergeketteter Regelkreise, da für jede einzelne Muskelbewegung ein solcher Regelkreis benötigt wird. Sobald wir unseren Fokus nach innen richten, greifen wir in diese hochkomplizierte Struktur ein.

    Ein weiteres Problem, das unter Druck auftritt, ist das „neuromotorische Rauschen“, das als Sammelbegriff für alle Ungenauigkeiten verwendet wird, die auf unterschiedlichen Ebenen des motorischen Systems, von kortikalen Verarbeitungsprozessen bis hin zur Aktivierung motorischer Einheiten, entstehen. Der Rauschanteil im motorischen Signal wird durch physische, biomechanische und psychologische Faktoren beeinflusst. Dieser Zusammenhang ist uns aus Alltagssituationen bekannt, wenn von der sprichwörtlichen „zittrigen Hand“ in wichtigen, aufregenden oder emotionalen Situationen gesprochen wird; auch das Zittern beim Einfädeln eines Fadens in die Nadel hat diesen Hintergrund. Vereinfacht ausgedrückt kommt es dabei zu einer Gliedmaßensteifigkeit, die sich aus der statischen Muskelaktivität und einem konstanten Verstärkungsfaktor ergibt. Die statische Muskelaktivität wird durch Kokontraktionen der antagonistischen Muskulatur der Gliedmaßen erzeugt und ist unsere muskuläre Grundaktivität, die keine Veränderung des Bewegungszustandes bewirkt (im Gegensatz zur dynamischen Muskelaktivität). Diese Probleme führen letztendlich zu Fehlern in der Ausführungsgeschwindigkeit und der Bewegungsgenauigkeit (z. B. unsauberer Griff beim Fangen).

    So genug für heute – jetzt habe ich euch mächtig zugetextet, aber das Thema ist nunmal sehr komplex. Ich hoffe, ich konnte es soweit vereinfachen, dass es verständlich ist.
    Geändert von strigletti (18.11.2009 um 14:01 Uhr) Grund: Fehlerteufel
    Stell dir vor, du gehst in dich - und keiner ist da

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