Entschuldige bitte, aber die Einschätzung von Khedira ist doch Schmarrn. Khedira hat seine Aufgaben vollkommen erfüllt, stand das ganze Turnier über relativ solide und ist nach vorne enorme Wege gegangen. Das "unkoordinierte umherirren" nennt sich vorgegebenes Laufverhalten. Er sollte mit seinen Läufen in die Spitze die Lücken nutzen, die Klose durch seine Seitwärtsbewegungen aufzieht. Das hat er richtig gut gemacht. Ansonsten muss man die Kirche auch mal im Dorf lassen: Wen hättest du denn sonst aufgestellt für Khedira?
Die Einwechslung von Gomez war ebenso nachvollziehbar. Selbst wenn der unter Form spielt, stellt er mit seiner physischen Präsenz für jede Abwehr ein Problem dar, das sie erstmal lösen muss und schafft so Räume für die Nebenleute. Zum Zeitpunkt der Einwechslung stand Spanien nur noch tief um den eigenen 16er, für diese Situation hat Deutschland außer Gomez und Klose keinen Stürmer im Kader, denn sowohl Cacau als auch Kießling sind Spieler die aus dem Raum kommen. Die Räume für Flanken waren da, die Flanken kamen und dann braucht man jemanden wie Mario Gomez im Zentrum und keinen Cacau oder Özil.
Ansonsten ist deine Kritik natürlich richtig, Podolski und Trochowski verfügen über null Spielintelligenz und somit spielten wir quasi immer zu 9. bzw. nach Troches Auswechslung zu 10. Das ist auf Dauer natürlich Gift...
Warum man nicht mit mehr Pressing gespielt hat sollte eigentlich klar sein: Dazu sind unsere Spieler nicht schnell genug. Diese Form des aggressiven Forecheckings und Pressings kann man nur mit relativ agilen und wendigen Spielern machen (siehe Spanien) und sie muss verinnerlicht sein, denn wenn man einmal pennt ist alles schon zu spät. Dafür hat die Vorbereitungszeit nicht gereicht, zudem fehlen die Grundvoraussetzungen. Daher hatte Deutschland eigentlich nur eine Möglichkeit: Tief stehen und die Passwege in den 16er zustellen. Das klappte ja auch weitestgehend gut. Bis auf den Pass auf Villa am Anfang und eine kurze Phase nach der Halbzeit kam von Spanien nichts Gefährliches aufs Tor, nichtmal ums Tor rum. Das eigentliche Problem ist doch: Man wird Spanien nie kontrollieren können, also muss man aus dem eigenen kurzen Ballbesitz das Maximum rausholen. Das ist nicht möglich, wenn in der Vorwärtsbewegung immer Leute wie Trochowski oder Podolski den Ball tragen müssen. Podolski ist gut für den letzten Ball, also die letzte Flanke oder den Abschluss oder den letzten Querpass. Alles was in der eigenen Hälfte beginnt ist eine Katastrophe mit ihm. Gleiches gilt für Trochowski. Genau an diesem Punkt sind uns spielintelligente Leute wie Müller, Kroos oder Jansem abgegangen. Dazu kam, dass Boateng Podolski kaum unterstützen konnte, weil er ihn mangels linkem Fuß nicht hinterlaufen konnte. Mit Jansen und Kroos sah das wesentlich besser aus und da hätte man schon mal früher dran denken können. Hat der Löw nicht, muss er sich ankreiden lassen.
Trotzdem war das Turnier ein Erfolg, für den Titel braucht es eben auch mal Glück (Die Spanier haben ne Menge davon mitgenommem: Villa nicht gesperrt, gegen Paraguay zweimal Dusel bei der Santa Cruz Chance und dem Elfmeter, etc.), auch die Holländer haben von Duseltoren (die waren gegen Brasilien bis zu den zwei geschenkten Toren schon mausetot, gegen Uruguay haben die Schiris a weng mitgeholfen) profitiert. Gestern hätte Kroos die Hütte machen können, kurz vor Schluss könnte Schweinsteiger den sehr zentralen Freistoß kriegen, etc.
Fussball ist nunmal dank des sehr niedrigen Scorings oft von Glück und Pech abhängig, ein Turniergewinn ist also niemals garantiert, egal wie gut die Mannschaft ist. Frage man mal bei Holland 74 nach, oder bei Ungarn 54, wahrscheinlich kann man Montag auch bei Spanien 2010, auch bei Frankreich 2006 die ohne Zidane's rote Karte das Ding wohl gewonnen hätten, nachfragen. Deswegen ist es natürlich Blödsinn zu sagen: Wir nehmen die Erfahrung mit und holen uns eben 2012 und 2014 den Titel. Aber man sollte nicht vergessen: Auch ohne Titel seit 1996 bleibt doch in dieser Zeit zweimal Finale (2002, 2008), zweimal Halbfinale (2006 und 2010) und insgesamt sind wir damit die erfolgreichste Mannschaft bei EM und WM im neuen Jahrtausend, wie wir nach Halbfinalteilnahmen auch die erfolgreichste im alten Jahrtausend waren. Regelmäßig unter die besten 4 Mannschaften Europas und der Welt zu kommen ist eine viel größere Leistung als mit Dusel einmal den Titel zu holen. Klar zählen am Ende nur die Titel, aber wenn man sich mal den Vereinsfussball anschaut, was ist dann der größere Verein der letzten 10 Jahre? Der FC Porto, weil er 2004 mal die CL gewonnen hat oder Chelsea, die dafür seit Jahren immer mindestens im VF bzw sogar im HF und F stehen? Klar würden die alles für den einen Titel geben, aber ihren Namen haben sie nicht wegen Abramowich oder weil sie daheim 2mal die Liga gewonnen haben, sondern eben weil sie in der CL eines der Teams sind die IMMER Titelaspirant sind und fast unbesiegbar sind. Letzteres ist wesentlich schwieriger zu erreichen...