Ich will es mal so sagen: In den höheren Ligen halte ich es für unverzichtbar, mit Viererkette zu spielen. Es ist eine Mär, dass der "freie Mann" hinter der Abwehr die Pässe in die Tiefe verhindern würde. Und das gilt auch für die Kreisliga.
Abseits ist ein heikles Thema, vor allem, wenn ohne Linienrichter gespielt wird. Da kann man schon mal drüber nachdenken. Andererseits: Ob nun bei vier Spielern auf einer Linie oder einem einzelnen Spieler plus Manndecker, den der Angreifer mit zurückzieht, man hat so viele Chancen, dass das Abseits erkannt wird, wie dass das übersehen wird.
Wir spielen Kreisliga und mit Viererkette. Bei uns spielen allerdings seit Einführung eines Jugendkonzeptes vor sieben Jahren alle Mannschaften von D-Jugend bis zu den Seniorenmannschaften ein Grundsystem. Da wir recht erfolgreich im Jugendbereich sind, wird uns dort Recht gegeben. Bei jüngeren Jahrgängen macht das keinen sinn, denn die sollen sich auf dem Platz austoben und erstmal Spaß haben, anstatt in ein taktisches Korsett gebunden zu werden. Wir haben vorletzte Saison mit einer Mannschaft, die fast nur aus Spielern aus unserer Jugend bestand, erst in der Aufstiegsrelegation verloren und hatten die wenigsten Gegentore aller Kreisligen in unserem Fußballkreis. Ein halbes Jahr später waren wir Viertletzter - mit in den meisten Spielen derselben Abwehrformation. Geändert hatte sich vor allem das Mittelfeld, weil wir das Hauptmanko in der Erfahrung analysiert hatten und drei solch erfahrenen Spieler dazugeholt haben. Es passte auch charakterlich nicht so ganz und so spielten wir zur Rückrunde mit dem Kader der Vorsaison plus zwei, drei weiteren Spielern aus unserer A-Jugend.
Ergebnis: In 14 Spielen noch auf Platz drei hochkatapultiert. Neben unserer fehlerhaften Analyse zeigt dieses zum einen, dass das Viererkettenspiel nicht von jetzt auf gleich funktionieren kann und perfekt zu erlernen ist (ein Gruß an die Kölner Presse, die Solbacken mit seinem Konzept mit zwei Viererketten nach zwei Spielen an die Wand nagelt...). Noch viel mehr zeigt das Beispiel, wie extrem der Erfolg dieser Taktik davon abhängig ist, dass die Mannschaftsteile miteinander in einem Verbund arbeiten. Da muss nur ein kleines Rädchen nicht funktionieren und von Barcelona bis Hintertupfingen bricht das System zusammen. Wenn man die Spieler nicht dafür hat, wie es in den unteren Ligen noch immer zu Hauf der Fall ist, macht es Sinn, vorerst weiter mit Libero zu spielen, damit die Nachteile die Vorteile nicht auffressen. Dann muss man aber auch in Kauf nehmen, dass sich eine gute Ausbildung im Jugendbereich mit der Spielweise bei den Senioren beißt und ad absurdum führt. Weiter oben muss man erwarten können, dass bessere Spieler auch taktisch besser ausgebildet sind und wenigstens ein normales 4-2-3-1 o.ä. schnell adaptieren können. Spezielle Vorstellungen wie die von Solbacken nehmen wir mal davon aus.
Zum Torwart und dessen Spiel: Ich würde so weit gehen, dass dieses System erfordert, einen gut mitspielenden Torwart zu haben. Es mag Ausnahmen geben, aber ein Weidenfeller muss sich im System Klopp auch offensiver verhalten, als er das jemals getan hat. Insoweit bin ich global betrachtet ganz und gar nicht der Ansicht, dass es in diesem System mit Viererkette überhaupt eine Alternative zum mitspielenden Torwart gibt. Je mehr er das macht, desto besser funktioniert auch die gesamte moderne Spielstrategie. Ich bin heilfroh, dass ich gezwungen wurde, noch diese Spielweise zu erlernen. Ganz und gar geht das nicht mehr, denn mir fehlt die fußballerische Gurndtechnik. Zum Glück habe ich noch in der D-Jugend im Sturm gespielt, sonst wäre gar nichts in dieser Richtung vorhanden. Selbst auf höherem Niveau in der Jugend haben meine TW-Trainer ausschließlich auf schönes Fliegen und hunderte von Sit-Ups geachtet. Das Verschieben und die taktischen Anforderungen habe ich mit der Zeit sehr gut verinnerlichen können. Das hat aber gedauert.
Ich halte das Mitspielen durch dauerndes Verschieben, Korrigieren und Unterstützen der Vorderleute für ein hervorragendes Mittel, die Konzentration auf das Spiel hochzuhalten und sich für jede Angriffssituation des Gegners optimal zu positionieren. Davon hat auch mein bereits gutes 1gegen1 noch einmal außerordentlich profitiert. Ab und an geht so was in die Hose, weil ein Laufduell verloren geht und ich die falsche Entscheidung getroffen habe oder weil ich zu hoch stehe in einer 1gegen1-Situation. Alles in allem würde ich aber schon sagen, dass die Umstellung mich zu einem besseren Torwart gemacht hat, der mehr Tore verhindert als zu Zeiten, in denen ich einen Libero vor mir hatte.
Man muss dieses Spiel so früh wie möglich erlernen und dazu gehört natürlich, dass ein Verein mit qualifizierten Trainern im Jugendbereich eine gewisse Systematik und Vorstellung von einer Spielphilosophie hat. Das Problem, das auch Steffen schon mal beschrieben hat: Es gibt viel zu wenige Vereine, die überhaupt im Jugendbereich Torwarttrainer einsetzen und von denen sind dann auch zu wenige so qualifiziert, dass Torwartgrundtechniken, fußballerische Grundausbildung und taktisches Verhalten ausreichend vermittelt werden können. In diesem Bereich haben wir bei uns im Verein trotz der guten sonstigen Ausbildung ebenfalls großen Bedarf und das TW-Training wird stiefmütterlich angegangen. Ich versuche mich dort schon einzubringen und werde mich da engagieren, wenn meine aktive Zeit vorbei ist.
Trainingsformen gibt es und die bestehen darin, dass der Trainer den Torwart in die meisten taktischen Trainingsübungen mit einbindet. Aber: "Fehler" sind system-immanent und es geht nicht darum, diese komplett auszuschließen. Es geht darum, generell und langfristig die Wahrscheinlicheit eines Gegentores zu verringern und somit auf die gesamte Saison bezogen eine positive Bilanz zu erreichen.