Man kann sicherlich unendlich lange darüber streiten, wie gut der Keeper am Ball sein muß, doch wenn er nicht gut genug in der Ballverteidigung ist, dann nützen ihm seine eventuell guten Paßtechniken nichts.
Andererseits verlangt die ständig weiterentwickelte Taktik auch immer mehr Fähigkeiten für den Keeper außerhalb des Strafraums, in der für den Torwart die gleichen Regeln wie für die Feldspieler gelten. Hier trennt sich dann die Spreu vom Weizen bei ansonsten gleich guten Abwehrtechniken. Dennoch gehört für mich dann auch das taktische Element hinzu, sodass die Entscheidung situativ und nicht allein aufgrund der Fähigkeit einer guten Paßtechnik zu treffen ist.
Aber so neu ist das alles nun nicht, das man eine neuerliche Diskussion darüber anfachen müßte. Denn schon der legendäre 1860 - Keeper Radi Radenkovic liebte die Ausflüge mit und ohne Ball und den Nervenkitzel außerhalb seines Strafraumes.
Der kolumbianische Nationalkeeper Rene Higuita war ebenfalls bekannt durch seine "spielerischen Einlagen". Doch ausgerechnet der 38-jährige Oldi "Roger Milla" wurde ihm bei der WM zum Verhängnis. Denn der ließ sich nicht vom Keeper umspielen und schoss das entscheidende Tor, was das aus für Higuitas-Team bedeutete. Doch er konnte es nicht lassen. So erschien es ihm 1995 beim Länderspiel gegen England zu langweilig, einen Fernschuß mit den Händen zu fangen. Stattdessen wehrte er das Leder kopfüber mit seinen Hacken ab. Huigita galt zu seiner Zeit als der torgefährlichste Keeper.
So kommt es einem bei der Bewertung von Torleuten manchmal vor, als wolle man sie bei ihren Fähigkeiten mit dem Ball am Fuß gern mit Feldspielern vergleichen? Das ist natürlich totaler Quatsch, denn dann müßte man Feldspieler auch auf ihre Fähigkeiten als Keeper testen. Diesen Spagat probiert er DFB schon seit ein paar Jahren mit ihrem Anforderungsprofil für TW-Trainer. Die sollen dann auch eine Mannschaftstrainer-Lizenz besitzen. Andererseits brauchen die Mannschaftstrainer keine Fähigkeiten als Torwarttrainer. Dafür dürfen sie aber trotzdem ihren Senf zu den Fähigkeiten der Torleute abgeben.
Für mich liegt die Priorität in der Torwartausbildung klar auf die Besonderheit in der Torverhinderung und den dafür antrainierbaren Fähigkeiten. In der Kategorie 2 kommt dann die Ballbehandlung. Allerdings ist es von Vorteil, aber nicht Bedingung, wenn der TW-Trainer selbst einigermaßen beidfüssig ist, sodass er sämtliche Situationen rechts wie links simulieren kann. Ansonsten benötigt er hier und dort die Unterstützung von Kollegen, wenn es das Trainingsthema verlangt.
Weil "Fußfehler" sich nach oben hin fortsetzen können, verfügt ein Sportler über eine gute Stabilität, die ihm die nütige Balance für seine Aktionen verleiht. Wieviel fussballerische Fähigkeiten dafür notwendig sind, das wurde bislang nicht erforscht.
Mein Fazit: Schaden kann es nicht, wenn ein Torwart gut mit dem Ball am Fuß umgehen kann. Aber es nützt nur dann, wenn ausreichend Torwartfähigkeiten vorhanden sind. Denn auch hier gibt es immer noch Optimierungsmöglichkeiten. So kann man beobachten, dass sich Keeper aufgrund erlernter Techniken auch dann zur Ballsicherung in die Horizontale begeben, wenn sie das Leder aus der Bewegung im Stehen fangen, nicht erst aufstehen müssen, sondern sofort mit den Händen weiterleiten könnten.