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Thema: Übergreifen

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    torwart.de-Team Avatar von Steffen
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    Standard Übergreifen

    Das Übergreifen, oder wie Oliver Kahn sagt, das Ablenken des Balles mit der "Überhand" ist eine schwierige Technik des Torwartspiels.
    Angeregt durch die Diskussion im Ron-Robert Zieler Thema keimte in mir das Verständnis aus, dieses Thema vielleicht hier ausführlicher zur Diskussion und Erklärung einstellen zu wollen.
    Dabei ist es egal, ob der Torwart im diagonalen Direktsprung oder im sogenannten Bogenflug zum Ball agiert. Bei Beiden Techniken ist nur die Landung unterschiedlich:
    Beim Bogenflug wird an der Spitze des Flugkurve 'gewendet' - der Torwart landet mit den Händen zuerst. Beim Direktflug - den Ich Dreieckflug nenne - landet der Torwart meist auf den Unterschenkeln zuerst.
    Bei beiden Arten hingegen, ist unverrückbar, daß der Sprung unmittelbar, direkt und zielgerichtet zum Ball zu erfolgen hat. Sprich den Ball überhöht anspringen oder eine zu flache Sprungkurve zu haben, ist in egal welchem Fall inkorrekt (sicher mag es Ausnahmen geben - doch für die technische Diskussion legen wir dies erst einmal so fest!)
    Ziel ist es, den Ball 'auszufliegen', sprich etwas mehr Wucht zu generieren, um den Ball zu ergreifen und mit dem Ball in Sprungrichtung weiter zu 'fliegen'., um sicher die Flugbahn und das Moment des Balles zu kontrollieren. In Einzelfällen wird dies nicht funktionieren, ist aber die Idee dahinter.

    Leider sieht man immer wieder das Torleute zwar korrekt in Richtung Ball agieren, die Bewegung an sich ist in Ordnung, doch anstelle des Übergreifens angeln diese mit der Leithand über Kopf nach dem Ball.
    Für eine erfolgsorientierte Technik ist dies kontraproduktiv.

    Warum ist dies so?
    Nun, dies hat schlicht mit dem Winkel des Körpers zu tun und ist ein rein Biomechanisches Problem.
    Wenn wir Reichweite ausspielen wollen, gerade für Dinge über Kopf, muss die Streckung bis in die Fussspitze erfolgen. Dabei kippt unsere Hüfte schon, um ein Bein zu entlasten und damit eine diagonale Überstreckung durch Anheben des Schultereckgelenks zu ermöglichen.
    Ihr könnt das selbst ausprobieren:
    Stellt Euch vor eine Wand und klebt ein Klebezettelchen als Höhenmarkierung so hoch ihr reichen könnt. Macht dies beibeinig!
    Das ist die normale Reichhöhe.

    Jetzt nehmt z.B. den Klebezettel in die Linke Hand und reicht nach oben, indem ihr euch nur auf das Linke Bein stellt - die Reichhöhe für eine einseitige körperliche Streckung. Ihr werdet da schon merken, es ist unbequem und nicht toll. Streckt Euch ruhig richtig.
    Jetzt macht das indem Ihr den Klebezettel in die linke Hand nehmt, aber das rechte Bein nur benutzt. Ihr werdet sofort feststellen: Es fällt leichter und ihr solltet auch ein bis drei Zentimeter höher reichen.
    Kommt Ihr links/links nur knapp über die normale Reichhöhe, schafft ihr rechts/links deutlich mehr, und es ist bequemer.

    Das ist der Grund, warum wir bei einhändigen Sprungaktionen nach oben zumeist mit der Diagonalen Hand nach oben reichen, der Körper verhält sich dabei intuitiv biomechanisch korrekt.
    Somit haben wir in der diagonalen Achse zwischen gestreckten, also dem Sprungbein beim Springen, und der dem Sprungbein gegenüberliegenden Schulterseite einen Reichweiten Vorteil. Wir reichen, selbst wenn wir uns im Stand nur auf Zehenspitzen stellen, so weiter und höher.

    Bei hohen Bällen über Kopf ist dieser Reichweitenvorteil meistens Blödsinn, da wir hier mit beiden Händen agieren müssen, beim Hechten hingegen ist es definitiv dagegen umso wichtiger, die zu wissen und anwenden zu können.
    Dabei handelt es sich insbesondere um Bälle, die oberhalb der Körperlängsachse kommen, also über der Schulterhöhe sind. Bei den meisten halbhohen Bällen ist die Reichweite mit der Leithand, also Sprungbein und Leithand sind hier gleichseitig: Ball links Ecke, linke Hand führt zum Ball, Absprung linkes Bein.
    Dabei gilt auch immer: Optimale Position uns Distanz. Sprich, bevor ich abspringe, muss ich meinen Körper möglichst rasch zum Ball entsprechend positionieren, ggf. muss ich sogar diese gesamte Bewegung in den Sprung überleiten - um einen Ball mit einer explosiven Technik noch zu erreichen.
    Somit darf ich keinesfalls zu früh abspringen...

    Nicht vergessen: Wir beleuchten hier nur den Weg zum Ball, nicht die Landung. Es ist daher völlig unerheblich, ob ich aufgrund Bogenflug mit den Händen lande, oder aufgrund des Dreieckfluges mit den Beinen zuerst lande.
    Wer also meint mit dem Bogenflug früher abspringen zu müssen und zu können - entschuldigt, der begeht den größten Fehler den es überhaupt gibt, weil er schon gegen das Grundprinzip Optimale Position und Distanz verstößt.

    Gilt also noch bei Schulterhohen Bällen im seitlichen Absprung, daß Sprungbein und Leithand zum Ball reichen, ist dies nun bei Bällen über Schulterhöhe ein Problem.
    Denn wir können nicht mit der seitengleichen Hand diagonal über Kopf die Reichweite ausnützen. Also Absprung zum Beispiel links, dann kann ich nicht mit der linken Hand nach rechts oben reichen - dieses angeln ist biomechanisch unzureichend. Das Schultereckgelenk arretiert in der Streckung nach oben, ich kann den Arm nicht weiter in Richtung Kopf gestreckt bewegen - ist auch nicht nötig, weil der Kopf sowieso im Wege ist.
    So ergeben sich durch die Gelenke bestimmte Radien, die unsere Reichweite ausmachen.

    Wir mussten mal - aufgrund einer Diskussion - hier eine Zechnung anfertigen, die ich damals in meine Ausbildungsunterlagen übernommen habe:



    Dies ist eine Skizze, denn wenn wir mal unseren linken Arm strecken und den Rechten über den Kopf klappen, stellen wir fest: Der Kopf ist so hoch wie der Oberarm, und der Unterarm reicht genau an den gestreckten linken Arm heran, so daß der Kopf exakt den Raum des Vierecks Oberarme / Unterarme einnimmt, und nicht wie in der Skizze so mini ist
    Aber die Radien verdeutlichen es:
    Direkt über der Körpermittenachse bricht die Reichweite der Leithand ein. Kommt der Ball also leicht über dieser Achse, dann habe ich mit der Leithand keine oder nur wenig Chancen den Ball zu erlangen, die Recihweite ist hier nicht nur deutlich reduziert, sondern schlicht völlig unzureichend.
    Auch die Stabilität des angewinkelten Armes über Kopf ist unzureichend, da die Gelenke hier nicht genügend Stabilität aufbauen und aufbringen können, die Hand kann im Schultergelenk schwer verdreht werden, aufgrund des idealen Hebels, der sich aus Ober- und Untrrerarm bildet, wenn die Leithand über Kopf nach oben reichen muss.
    Deutlich kann man die Mangelhafte Reichweite in Form der gelben Kurve der Skizze erkennen.
    Hingegen ist die von Oliver Kahn sogenannte "Überhand" hier für einen Ball im oberen Quadranten deutlich besser positioniert.
    Die Skizze zeigt es, die violette Kurve ist dargestellt, für eine Überstreckung der Schulter, wo man das Schultereckgelenk neben den Kopf erhebt, denn für die maximale Reichweite nach oben, wenn das Schultereckgelenk nicht angehoben wird, kann ich den Arm nur in die Waagrechte in etwas erheben. Das nach oben über Kopf reichen bedingt, daß mein Schultereckgelenk mehr oder minder nach oben verschoben wird, um so den Arm auch wirklich neben den Kopf erheben zu können, der Radius beschränkt sich daher nicht allein auf das Schultereckgelenk, wie dies in der Skizze zu sehen ist, sondern wie die roten Winkel andeuten, eher auch auf das Schultereckgelenk, so daß gerade in den Reichweiten nach oben die Schultern extrem einbezogen sind.
    Trotzdem verdeutlicht die Skizze nur zu klar, daß ich mit der Leithand, die im Bild ja unten ist, niemals die obere grüne Kurve abdecken kann, noch in deren Reichweite gelange. Dies wird umso weniger kritisch, je steiler der Sprung ist, dennoch: Kommt der Ball über der Längsachse als Verlängerung der Wirbelsäule nach oben, so hat die untere Hand kaum oder gar keine Chance.

    Ich kann und darf also gerade bei Bällen, die in den oberen seitlichen Quadranten kommen, nicht immer versuchen, nur die Leithand zu nehmen, sondern als Trainer muss ich explizit das Übergreifen trainieren, nicht nur aufgrund der besseren Flug- und Reichlage, also des besseren Körpergefühls, sondern insbesondere wegen Biomechanisch bedingten Reichweite.
    So können einige, zum Teil auch als 'unhaltbar' angesehene Bälle vom Torwart noch geholt werden, und aufgrund der günstigen Streckung des Arms, der optimalen Stabilisierung der Struktur durch die Muskulatur, kann zudem auch ein dafür günstiges Moment aufgebaut werden, auch kräftige Schüsse aus der Flugbahn anzulenken und den Gegentreffer zu verhindern.

    Dies ist kein Allheilmittel, kann aber in den entsprechenden Situationen definitiv die Lösung sein und das angeln nach dem Ball mit der unteren, zur Körperlängsachse gesehenen, Hand hingegen ist schlichtweg ein technischer Fehler, wenn der Ball über dieser Längsachse kommt.



    Im Video ist es extra langsam ausgeführt, um schlicht die Bewegung zu verdeutlichen. Auch wenn die Schrittfolge und die Aktion zum Ball besser sein könnte, sieht man trotzdem gut, daß die diagonale Streckung optimaler ist und eine Aktion mit der unten Hand zum Ball aufgrund der Reichweite nicht optimal ist - sicher ist dies bei diesen Bällen möglich - jedoch war es nicht das Ziel der Übung.
    Darauf muss ich als Tw Trainer achten: Den Ball entsprechend zu werfen oder zu schießen, daß er über der Körperlängsachse in den oberen seitlichen Quadraten des Tors gelangt. Ich muss eine entsprechende Sprungkraft dem Tw angedeihen lassen - und ggf. das Übergreifen methodisch dem Torwart beibringen.

    Und wer darüber nachdenkt, wie denn ein Schuss aus dem Winkel zu kratzen sei,dem sei angeraten: Durch das Übergreifen wird es im seitlichen Hechten durchaus möglich - ausser man steht so optimal, dann kann man den Ball aber meist auch festhalten

    Edit:

    Ich habe nun auf Youtube ein Video gefunden, wo man sieht, wo aufgrund des angelns mit der unteren Hand der torwart den Ball nicht erreicht.
    Das Video ist bloß eine Szene, zeigt aber deutlich, wie leicht der Tw den Ball mit Übergreifen erreichen würde und wie chancenlos er mit der Leithand ist, weil der Ball über der Körperlängsachse durch die untere Leithand unerreichbar ist... Dabei deckt der Torwart eigentlich den oberen Quadarten sehr gut ab - einzig der technische Fehler verhindert das der Torwart hier den Treffer verhindern kann:


    Quelle: http://www.youtube.com, Nutzer andy1860
    Geändert von Steffen (14.11.2011 um 08:21 Uhr)
    Lassen wir das, war nie eine Leuchte...

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