Für mich war Almuth Schult bereits die Nr. 1 als noch Nadine Angerer das Tor hütete. Schult hatte bereits das bessere Stellungsspiel und eine variantenreichere Spieleröffnung. Angerer war vielleicht etwas athletischer und konnte sich durch sensationelle Paraden auszeichnen. Das hat sich erst etwas später bei ihr entwickelt. Sie ist in meinen Augen dennoch die komplettere Torhüterin.

Andere Interview-Elemente haben mich ein wenig überrascht. Insbesondere die von ihr angenommenen Entwicklunszeiträume. Weil ich nun eine der beiden neuen Nationaltrainerinnen etwas genauer kenne, kann ich da nur sagen: bei der braucht es nicht lange, bis sie mit ihrem ausgeprägten Selbstbewußtsein die Defizite klar und deutlich anspricht. Aber die Presseleute schreiben ja auch manchmal das, was sie wollen?

Mit TW-Trainer Fuchs gebe ich ihr absolut recht. Er ist ein Spitzen-Analytiker und macht schon seit vielen Jahren einen tollen Job. Er ist ein Glückfall für den DFB. Die DFB-Torwart-Camps sind schon legendär. Anfangs gabs jedoch hier und da keine Probleme. Aber wo gibt es die nicht?

Gestutzt hab ich bei der Bemerkung, es gäbe kaum einen Unterschied, ob man Männer oder Frauen auf der Torwartposition trainiert! Da habe ich ganz andere Erfahrungen gemacht.
Wenn ich eine Keeperin, die ja mit deutlich geringerer Reichweite und Muskelkraft ausgestattet ist, so intensiv trainiere, wie ihren männlichen Kollegen, wie lange würde wohl Kraft ausreichen? Der größte Unterschied liegt m.E in der Intensivtätssteuerung. Die Mädels brauchen häufiger kleine Regenerationspausen. Mit Kraft-Schnelligkeitsübungen sollte man sorgfältig umgehen.
Es gibt eine etwas andere Gewichtung bei den Trainingsinhalten, welches ans Frauenspiel angepaßt ist. Das Stellungsspiel bei den Mädels ist noch differenzierter als bei den Männern. Zwar kommen die Flanken und Schüsse nicht mit der selben Härte aufs Tor, weshalb hier noch mehr Tore aus einer Distanz von 8 - 11 Metern erzielt werden. Andererseits ist gerade diese geringere Schußhärte die Chance die Distanz zum Ball rechtzeitig zu verkürzen.
Schwächen haben fast alle Mädels mit hohen Bällen, insbesondere beim Fausten. Hier findet man mehrere Ursachen. Zum einen ist es der Stemmschritt, der nunmal notwendig ist, um gut hochzukommen und sicher in der Luft zu sein. Eine weitere Ursache liegt im Ballkontakt. Statt ohne Handschuhe den exakten Druckpunkt zu spüren und den Ball mit beiden Fäusten gleichzeitig in die gewünschten Richtung zu fausten, tragen viele Mädels bereits während der Ausbildungszeit "Fingersave-Handschuhe", die es besonders schwer machen, den Ballkontakt präzise zu spüren. Bei mir mußten selbst die Nationalkeeperinnen manchmal ihre Handschuhe ausziehen, wenn ich das Gefühl hatte, sie behindern bei den Details. Sobald es gut funktionierte, wollten sie ihre Arbeits-Handschuhe wieder anziehen, weil sie die im Wettkampf ja auch tragen.

Frauen-Torwarttrainer gelten als Exoten. Man hat aber noch mehr Respekt voreinander, weil jeder etwas weiß, was andere auch gerne kennenlernen würden. Torhüterinnen haben es aber ungleich schwerer an gute Torwarttrainer zu geraten, weil hier die Leidenschaft sehr viel größer sein muß als das Geld, was sich dabei verdienen läßt. Andererseits geben die Keeper ihren TW-Trainer sehr viel an Begeisterung und Herzlichkeit zurück. Aufgrund der weitaus geringeren Konkurrenz ist es für die Mädels etwas einfacher sich für hohe und allerhöchste Herausforderungen zu qualifierzen, wenn sie mit einem hohen Maß an Eigenmotivation ausgestattet sind und vor großen Verletzungen verschont bleiben.
Während gute Beziehungen im "Netzwerk" bei den Männern eine bedeutende Rolle spielt, ob man sich für einen TW-Trainer-Job in einem bedeutenden Verein qualifiziert, bekommen auch solche TW-Trainer bei den Mädels und Frauen eine Chance, sich über Engagement und Fleiß mit ehrlicher Arbeit einen Trainerjob zu verdienen. Wer viel Geld, Ruhm und Ehre sucht, sollte sich allerdings etwas anderes suchen. Dafür kann er in Ruhe arbeiten und seine Ideen einbringen.