Istzustand:
Die Hauptaufgabe eines Torwarts ist es Tore zu verhindern (die eines Mittelstürmers Tore zu schießen). Daran werden sie gemessen! Weitere TW-Aufgaben bestehen darin, sich sinnvoll in den Spielaufbau einzubiden (der Mittelstürmer soll beim Angriffspressing/Gegenpressing mitwirken)!

Ich denke mal, soweit sind wir uns wohl einig, dass es primäre und sekundäre Aufgaben innerhalb der Mannschaft gibt?

Die Frage ist jedoch, ob es eine Verschiebung dieser Aufgaben gab und diese sogar noch anhält?

Denn wäre dies so, dann müßten wir unsere Sichtweise auf die defeniven und offensiven Aufgaben der Spieler verändern und ggf. erweitern?

Sollzustand:
Warum? Nun, wenn es z.B. die Aufgabe eines Torwarts sein soll, in seinem Raum alle Fähigkeiten eines Feldspielers (Libero) zu erwerben, dann sollte er diese Feldspielerfähigkeiten in seiner Ausbildung erlangen. Derzeit gibt es neben Manuel Neuer kaum Torleute, dessen fussballerische Fähigkeiten mehr als Bezirksliga-Niveau besitzen. Da bestünde also Handlungsbedarf. Insbesondere beim Stellungsspiel am 16-er und über den 16-er hinaus. Weil der Keeper außerhalb des 16-er nach den Fussballregeln als Feldspieler betrachtet wird, erscheint es sogar unerlässlich, bei ihm technische wie taktische Handlungsschnelligkeit zu trainieren.

Ausbildungsdefizite bei den Keepern:
Wenn ein Torwart für den Leistungsfussball vergleichbare Feldspielerfähigkeiten besitzen soll, dann sollte das bereits in der untersten Stufe der Talentförderung an. Aber dort haben wir vielfach noch gar keine speziell ausgebildeten Torwarttrainer, weshalb hier die Regel gilt: "der Torwart trainiert die Mannschaft, die Mannschaft trainiert den Torwart", sodass schon irgendwas Gutes dabei herauskommen wird. Erschwerend hinzu kommt, dass die meisten TW-Trainer ehemalige Keeper sind, in deren frühere Ausbildung die Feldspielerfähigkeiten ebenfalls vernachlässigt wurden. Auch in der 3-stufigen TW-Trainer-Ausbildung des DFB kommt dieser Teil zu kurz.

Ausbildungsdefizite bei den TW-Trainern:
Allerdings habe ich den Eindruck, dass momentan viele Keeper ihr Stellungsspiel insbesondere bei hohen Flanken in den Strafraum dahin gehend verändern, dass sie sich bis auf die Torlinie fallen lassen und so auf einen Fehler des Gegners hoffen. Dies sicher als Folge zur Veränderung von Trainingsschwerpunkten daraus, dass beim "Ballbesitz-Kurzpaßspiel" hohe Bälle eher verpönt wurden. Weil Ausbildung jedoch immer perspektivisch erfolgt, die Keeper irgendwann als "fertige Torleute" ihren Beruf ausüben, gestaltet sich eine "Nachschulung" schon deshalb nicht einfach, weil ihre TW-Trainer mit ähnlich taktischer Sichtweise ihre Arbeit betreiben. Denn TW-Trainer sind in den allermeisten Fällen Autodidakten, die sich besonders über Anregungen von außen freuen und daraus großer Respekt vor den Leistungen anderer Goalkeeper-Coaches haben. Nur findet dieser Austausch leider weder regelmäßig noch häufig statt. Der DFB tut momentan alles dafür, dass dies so bleibt, weil diese Jungs sich weigern, Mannschaftstrainerlizenzen zu machen und deshalb wie bessere Ballwiederholer zu behandeln sind.

Warum kann das TW-Training nicht spielnah sein?
So sieht denn eine typische Torwarttrainingseinheit praktisch immer noch so aus, das hier Torwart/e und TW-Trainer unter sich sind. In den Übungen mit Feldspielern endet diese meistens mit dem Torabschluß und nicht mit der anschließenden Spieleröffnung durch einen erfolgreich gehaltenen Ball. Durch die "künstliche Pause" zwischen Torabschluß und Spieleröffnung wird quasi der Vorhang gezogen und eine neue "Bühne" aufgebaut. Doch ist diese Szene wirklich spielnah? Wohl kaum, denn die Quote erfolgreich verteidigter Bälle wächst mit dem erfolgreichen Stellungsspiel und den fussballerischen Fähigkeiten, wodurch eventuelle Torabschlußmöglichkeiten bereits vorher vereitelt werden.

Wieviel verstehen wir vom Fussball überhaupt?
An dieser Stelle wird wieder einmal deutlich, wie wenig wir noch vom Fussball verstehen und mit welcher Freude wir uns an neue Herausforderungen wagen dürfen. Denn es gibt keine abschließenden Antworten. Selbst dann nicht, wenn wir nur das Gras wachsen hören und davon überzeugt sind, dass da wieder was Neues kommt, an dem so gut wie nichts dran ist, weil wir das ja alles schon mal hatten.

Wie kann`s weiter gehen?
Neugierig zu sein erscheint als die einzig verlässliche Möglichkeit einer persönlichen Weiterentwicklung oder?