Nochmal zu den vertieften Punkten:
Du sprichst die 2 Verhaltensmuster bei Bällen in die Tiefe an: Wovon genau reden wir hier? Es gibt bei diesen Bällen einfach eine Palette von möglichen Situationen, angefangen bei der Problematik wie viel eher ich vorm Gegenspieler am Ball bin. Und natürlich: Wenn ich Zeit habe, nehme ich den Ball locker an und gebe ihn weiter, wird es eng, wird der Ball weggedroschen und niemand erwartet, dass ein Mitspieler angespielt wird (Hauptsache ein eventuelles 1gg1 wird vermieden). Natürlich gibt es Zwischendinger, wo es nicht nötig ist, den Ball wegzudreschen, ein Anspiel aber auch nicht so einfach ist. Aber ich habe in diesen Szenen eher den Eindruck, als würde Neuer da relativ oft den eigenen Mann finden...
Oder meinst du Szenen, wo er unter Druck angespielt wird? Da passt deine Beobachtung, dass er "zu spät guckt, wo Anspielstationen sind" besser zu. Das müsste man dann nochmal gesondert diskutieren.
Zu den Flanken: Mag sein, dass er die meisten Tore nach Flanken kassiert. Aber ist das nicht generell im Fussball so? Ein Tor gegen Bayern im Konterspiel durch Bälle in die Tiefe zu erzielen ist sehr schwer, weil die Defensive da sehr gut arbeitet und diese Bälle eben dankbar für den lauernden Neuer sind. Ein Weidenfeller, bzw. eher die gesamte BVB-Defensive, z.B. ist da deutlich anfälliger und kassiert folglich mehr Tore aus diesen Szenen. Flanken sind gerne mal ein "Allheilmittel", wenn sonst nichts geht, weil sie u.U. schwer zu verteidigen sind. Nicht immer sollte ein TW bei Flanken rauskommen, und die meisten Gegentore, die Bayern nach Flanken kassiert hat, sind solche Dinger, wenn ich mich richtig erinnere. Krasse Fehler gab es m.E. nur einen und der war in Hoffenheim, wo ihm eine gefangene Flanke wieder aus den Händen fällt (Ursache hier ist dann aber eher darin zu suchen, dass der Kopf zu schnell auf "Spieleinleitung" umstellt, während die Zielverteidigung noch nicht abgeschlossen ist). Aber sonst: Ich behaupte, dass kein deutscher Keeper einen so großen Aktionsradius bei Flanken hat, wie Neuer. Oft klärt er Bälle 10m vor dem Tor (lange Bälle ins Gewühl um den Strafstoßpunkt sind ja gerne mal ein Mittel der letzten Minute) und lässt somit erst gar keine Gefahr aufkommen. Aber wenn du eine krasse Schwäche bei Flanken siehst, nenne mir mehr Beispiele von verschuldeten Gegentoren. Und vor allem: Welchen deutschen Torwart würdest du unter diesem Aspekt stärker einschätzen? Weidenfeller, Leno, ter Stegen, Baumann, Trapp, Adler, Zieler schonmal sicher nicht! Die haben da allesamt eine viel höhere Fehlerquote und vor allem einen viel kleineren Aktionsradius.
Alles in Allem: Ich sehe Neuer sicherlich nicht als den perfekten Torwart, denn es gibt Punkte, wo er noch besser werden kann (aber auch wird, wenn man sich die letzten Jahre ansieht). Wenn man das Paket aus A: Chancenfrühvereitelung, B: klassischer Zielverteidigung und C: dem "Feldspielertorwart" als Maxime ausruft - und das mache zumindest ich, dir scheint es ähnlich zu gehen - fällt es mir einfach bei aller Objektivität schwer, jemanden zu finden, der diesen "dreibeinigen" Spagath besser hinbekommt.
Manuel Neuer ist mein Lieblingstorwart, daher will ich mich nicht von Subjektivität freisprechen, aber so sehr ich es versuche, alle übrigen Kandidaten (Cech, Buffon, Casillas, Hart) kamen da 2013 Leistungsmäßig nicht heran. Der einzige, der 2013 (zumindest im ersten Halbjahr) mithalten konnte, war Weidenfeller, dem es aber am Ende an Titeln mangelte. Zwischen diesen beiden Keepern kann man argumentieren, dass Weidenfeller auch hätte gewählt werden können. Aber die europäische Konkurrenz wurde 2013 von den beiden m.E. deutlich distanziert, sodass es irgendwie unsachlich klingt, wenn man schreibt: "Ich kann die Entscheidung nicht nachvollziehen"
Ehrlich gesagt hätte mich die Wahl von Buffon nicht großartig überrascht, nachzuvollziehen wäre es teilweise gewesen, aber dass es nun bei Neuer absolut nicht nachvollziehbar sein soll, überrascht mich.