Du hast Recht, das Schweden-Länderspiel war ein schwaches von Neuer. Da braucht man nicht groß debattieren. Da hat er es versäumt, die Ruhe zu bewahren und stattdessen lieber die vermeintliche Sicherheitsnummer gewählt und den Ball lang rausgeprügelt. Das hat Ballbesitzzeit gekostet und einer international zweitklassigen Mannschaft überhaupt erst die Zeit gegeben, in 45 Minuten 4 Tore zu schießen. Aber ich traue mich zu sagen: Das ist ein Ausreißer. Nimmt man Neuers übrige Spiele in der N11, hat er diese Negativleistung überkompensiert. Und deshalb taucht MAtS' USA-Spiel immer wieder auf. Denn er hat zwar erst eine Handvoll Länderspiele, aber davon war eben eines gegen die USA und eines vor der EM12 gegen die Schweiz. Natürlich braucht er noch mehr Chancen, aber bisher ist seine N11-Karriere nunmal durch diese Leistungen geprägt. Neuers Karriere ist da eher von anderen Spielen geprägt.
Zurück zur Technik: Neuer hat technische Schwächen, weshalb er nicht Welttorhüter werden darf. Soweit deine Aussage zusammengefasst. Worüber reden wir dabei, wenn wir die letzten Posts zusammenfassen? Manchmal greift er nicht über, wenn er könnte, manchmal rollt er nicht so sauber ab, etc. Jetzt guck dir mal den Welttorhüter der vergangenen Jahre an (u.A. auch TW des Turniers WM10 und EM12), der nicht in der Lage gewesen ist, Bälle zu fangen. Und jetzt reden wir über den Unterarm-Anstellwinkel bei der Landung?
Nicht falsch verstehen: An technischen Schwächen muss gearbeitet werden. Aber es ist völlig zu Recht nicht das Hauptaugenmerk eines TW-Trainers, aus einem 27-jährigen technische Schwächen auszubügeln. Ich würde behaupten, dazu ist bei 1-2 Trainingseinheiten am Tag in regelmäßigen englischen Wochen (also max. 4 Einheiten zwischen 2 Spielen) keine Zeit. Wie gesagt: Schau dir mal das torwart.de-Interview von Sattelmaier zu seiner Bayern-Zeit an. Der Schwerpunkt liegt vielmehr darauf, eine torverhindernde Aktion nach 90 Minuten der Beschäftigungslosigkeit in einem -2°C kalten Stadion abzurufen, als darauf, diese Aktion technisch bis ins Detail korrekt auszuführen. Was hast du gegen Fft. davon, wenn Neuer schön übergreift, toll abrollt, aber unter dem Ball hersegelt, weil er kalt ist und keine Explosivität entwickelt bekommt? Der Torhüter ist nunmal kein Kunstturner, der bis zu seinem Auftritt warm eingepackt irgendwo sitzt, sich gemütlich auf seine Aktion vorbereitet und dann, wenn er dran ist, diese Vorbereitung sauber umsetzen kann. Er muss aus dem Kaltstart das Beste machen und da gehört es dann eben mal dazu, dass man schlecht abrollt oder mit der falschen Hand zum Ball geht.
Was ich immer sage ist, dass es wichtig ist, in der Regel die richtige Technik anzuwenden. Wenn also ein Keeper daherkommt und permanent z.B. nicht übergreifen kann oder im Flug auf den Bauch fällt, wird dieser Keeper viele Tore kassieren, weil er falsch agiert. Selbst dann, wenn er ab und an mal eine gute Parade daraus bastelt (bestes Beispiel: Mohammed Amsif bei Augsburg). Deshalb ist es völlig richtig, in der Jugend die technischen Abläufe sehr gewissenhaft zu vermitteln. Da ist es dann auch okay, wenn mal ein technisch unsauberer Keeper durchs Raster fällt, weil er sein Handwerkszeug einfach nicht bedienen kann. Wie du sagst, konnte Neuer es in seiner Jugend. Jetzt hat er seinen Werkzeuggürtel mitbekommen und kann ihn auf seine Weise einsetzen, um maximal viele Bälle zu halten. Musste er in der Jugend noch lernen, wie man die Feile richtig hält oder den Hammer schwingt, kommt es jetzt darauf an, in kürzester Zeit ein makelloses Werkstück zu produzieren. Anders als in der Ausbildung ist es jetzt seine Sache, wie er dabei die Feile hält.
Mit diesem Schwerpunktswechsel ist Neuer ja kein Einzelfall. Guck dir andere Keeper in seinem Alter an. Der Fokus verlagert sich, weil die Ansprüche sich verändern. Als technisch sauberer Keeper, der aber einfach zu viel Zeit braucht - "warmgeschossen" werden muss - hast du keine Chance auf internationalem Topniveau. Auch bei MAtS muss dieser Wechsel einsetzen, spätestens in Barcelona, sonst wird er sich, trotz aller theoretischen Überlegenheit, gegen einen Pepe Reina nicht durchsetzen können.