Zitat Zitat von Steffen Beitrag anzeigen
Verwunderter Beobachter,

für Dich mag das so erscheinen, aber das Aufstehen ist nun mal eine Sache, der man sich widmen kann und darf. Wie stehe ich auf?
Das ist eine Frage, der man sich als Torwarttrainer ausgesetzt sieht und natürlich. Es ist nun die Frage: Legen wir darauf WErt, oder ist es dann so wie FCOer schreibt: "Hauptsache er war nicht drinne.."

Wozu Torwarttraining, wenn wir Bewegungen nicht betrachten, Bewegungen nicht genauer betrachten und nicht hinsehen? Vor allem dann nicht, wenn "Aufstehtechniken" erwähnt werden, wo genau hingeschaut, keine da sind.
Ich meine damit nicht, daß Oblak nicht schnell ist, wenn man genauer hinschaut, sieht man, daß er flott unterwegs ist - hoch fokusiert ist, aber eben in Punkto Aufstehen scheinbar nie wirklich jemand mal was gemacht hat.

Ich kenne genug Torleute, die "normal" Aufstehen, also Sitzend, die Hände abstemmen und dann sich vorwärts hochdrücken. Das ist erst einmal nicht tragisch. Tragisch wird es, wenn man Torwart ggf. dadurch Zeit verliert.
Weißt Du, wir laufen tagtäglich - wenn also die normalität ausreichend wäre, würde ein Leichtathlet keine Laufschule brauchen. Wir rennen auch mal, zum Bus, zur Bahn... wenn die Normalität ausreichend wäre, müßten wir kein Sprinttraining machen... Sicher, es gibt Hinweise und Studien, daß z.B. Sprinttraining im Amateurbereich nicht mal eine Zehntelsekunde bringt. Die Frage ist, ob ein Fussballer wirklich auf die Strecke schneller werden muss, oder ob es eher darum gehen muss, schneller umschalten zu können, also von träge auf flott. Da wäre Sprinttraining schon angebracht - nur dann muss ich eben nicht aus schnellen Bewegungen in den Sprint gehen, sondern aus dem Gehen, Traben vorwärts, rückwärts und seitwärts in den Sprint gehen. Ich muss also nicht das Sprinten an sich optimieren, sondern das Umschalten.

Bei den Profis sollte das kein Thema sein, deren Beruf ist Fussball und was damit zusammen hängt, inklusive Laufanalyse, Lauftraining, gezielte Konditionierung usw.
Mal im Ernst - und dann lassen wir den Torwart einfach aufstehen, wie es jeder von uns macht? Nochmals, ich habe nichts dagegen - nur dann darf ich hier keine Aufstehtechniken sehen wollen´oder hervorheben. Denn diese sind schlicht nicht vorhanden.
Das mindert nicht die Leistung von Oblak - wir dürfen aber mal annehmen, daß wenn ein anderer Torhüter hier an seiner Stelle gewesen wäre, wie jetzt z.B. Casiallas, wir hier definitiv andere Bewegungsabläufe gesehen und damit wirklich komplett anderes aufstehen hätten bemerken können.

Und ja - ich finde es erschreckend, wenn ein Torwart, der als Beruf Torwart ist, auf dem Po sitzt, und versucht sich daraus zu erheben. Denn aus der am Boden sitzenden Position ist es die ineffektivste Art sich zu erheben. Nochmals: Ich kann das so machen, nur für einen Berufssportler...

Du kannst das dogmatisch nennen, Du kannst es Selbstüberschätzung nennen... aber geht doch mal raus und schau hin, ob es wirklich sinnvoll ist, sich so zu erheben. In der Situation hatte Oblak jeweils immer mehrfach die Chance eine wesentlich raschere Möglichkeit des Aufstehens einzusetzen, denn mehrfach ist er fast in Bauchlage, da bin ich einfach schneller auf den Beinen... Er entscheidet aber aus dem Sitzen aufzustehen... just in einer Situation, wo ich rasch zum Stehen kommen muss.

Klar, daß man kann das alles ausblenden und einfach abfeiern.
Nunja, Fußball wird nunmal nicht auf dem Papier gespielt. Ich habe im Training sehr viele Techniken gelernt und es ist auch wichtig sich weiterzuentwickeln und immer und immer wieder Techniken und Bewegungsabläufe zu trainieren und sie zu verfeinern. Nur das Spiel ist nochmal was anderes. Wer nur nach Lehrbuch spielt wäre gut und solide, die Torhüter die wirklich weltklasse sind, weichen oft in einzelnen Situationen von der Norm ab. Es ist wichtig, dass man sich eine gute Technik antrainiert und beibehält und sie verbessert, darauf lege auch ich großen Wert. Trotzdem: Im Spiel weiche ich nicht gerade selten davon ab. Ein guter Torhüter hat das Gefühl Situationen einschätzen zu können. Dabei Spielen Faktoren eine Rolle, die man im Training nicht hat. Auf einer guten Technik baut man auf. Aber es treten in Spielen Situationen auf, in denen Erfahrung und Intuition wertvoller sind. Es geht nicht darum Regeln zu brechen sondern darum, dass es einen großartigen Torwart ausmacht in manchen Situationen aus vielen Entscheidungen die richtige zu treffen und sein Spiel selbst zu interpretieren. Und im Spiel ist dass nicht immer die, die im Lehrbuch steht. Ich bin Torwart geworden weil ich es werden wollte, und irgendwann mal gemerkt hab, dass ich Bälle halte, die vielleicht nicht jeder hält. Und das Dank Intuition. Oder Talent oder was auch immer. Auf jedenfall habe ich mir meinen Arsch aufgerissen um Techniken zu lernen und sie zu perfektionieren. Den Wille zu haben jeden Ball halten zu wollen, ob möglich oder unmöglich und immer nach Fehlern zu suchen. Trotzdem: In den bisherigen Situationen, in denen ich das Glück hatte den Unterschied auszumachen, bei den Bällen bei denen man nur gewinnen kann, habe ich meistens aus dem Bauch heraus gehandelt. Oft auf Basis antrainierter Technik, aber manchmal nur frei Schnauze. Zu wissen wann alle Theorie Theorie bleibt und man solche Entscheidungen trifft, ist meiner Meinung nach einer der Punkte, bei dem sich die Spreu vom Weizen trennt. Ein Lehrbuch hat noch keinen zum Welttorhüter gemacht.

Zu Oblak:
Sehe ihn nicht oft genug spielen, aber er hat noch nie einen guten Eindruck bei mir hinterlassen. Hat sich gegen Leverkusen bestätigt. Im den wenigen Situationen, in denen er gefordert war, war er oft extrem unsicher, hat eine eigenartige Technik. Für mich gibt es keine falsche Technik, solange sie effektiv ist. Aber was er macht strahlt einfach keine Sicherheit aus. Trotzdem, hat er in dieser einen Szene großartig gehalten. Und da wird dann die Technik egal. Er ist zweimal nahezu Chancenlos, sowas hält man nur mit Intuition. Dabei kommt es auch nicht auf das Aufstehen an, sondern darauf, die Situation zu lesen. Wenn du einmal so eine Situation im Spiel hast, weißt du, dass du völlig aus dem Spiel bist, wenn da da versuchst erlernte Techniken anzuwenden.

In der ersten Situation steht er gut und wird angeschossen. Der Ball liegt eimschussbereit vor dem halblehren Tor. Oblak ist in dieser Situation fast schon aus dem Spiel. Er sieht auch, dass ihm nicht die Zeit bleibt aufzustehen um in eine aussichtsreichere Position zu gelangen. Er antizipiert sofort, sieht wann der Ball kommen wird und dass er keine Zeit mehr hat um aufzustehen. Was er macht ist, dass er schon sein Gewicht in Richtung Ball verlagert hat und sich blind hineinwirft, und dabei so viele Schritte wie möglich noch mitnimmt bevor er in die Schussbahn fällt. Nach der Parade liegt er auf dem Arsch. Hätte er sich nicht blind im halb-liegender Position in den Ball geworfen, hätte er im Leben keine Chance gehabt den Ball zu erreichen. Da ist es irrelevant wie er landet. Tatsache ist, dass er sofort wieder steht und sich so wegdrückt dass er einen großen Teil des ungedeckten Bereiches einnimmt. So etwas anschließen zu nennen ist kommt schon ein wenig ignorant. Er trifft dreimal intuitiv die richtige Entscheidung. Die Situation geschieht innerhalb von wenigen Sekunden. Er agiert in einer unfassbaren Geschwindigkeit. Der Bewegungsablauf ist für diese Situation perfekt und ist ebenfalls unfassbar schnell. Da von schlechten Aufstehtechniken zu reden, kann doch nicht Ernst gemeint sein. Er steht innerhalb von Sekundenbruchteilen und agiert im Anschluss mit voller Körperspannung. Da wird die technik einfach nurnoch völlig irrelevant. Es kommt nicht auf die Art, sondern die Effektivität der technik an. Was er macht, das wäre selbst dann großartig gewesen, wäre der Ball trotzdem reingegangen. Btw ist Casillas ein ähnlich agierender Torwart der von einer perfekten Technik weit entfernt ist. Und diese intuitiven Aktionen haben Ihn eine Zeit lang so gut wie unüberwindbar gemacht.

Es geht darum Tore zu verhindern. Die Technik unterstützt dabei, der Mensch und seine Intuition, seine Erfahrung und sein Talent machen den Unterschied aus. Bei aller verständlichen Kritik an Oblak, war dass einfach nur gut. Fußball ist kein reines Trainingsspiel. Und manche Dinge die im Training wichtig sind, sollten in manchen Spielsituationen in den Hintergrund geraten.