Ob hier mit zweierlei Maß bei der Leistungsbeurteilung dieses Keepers gemessen wurde? Diese Frage konnte man sich durchaus beim gestrigen Spiel gegen Kroatien stellen? Denn wenn ein Torwart hinter einer sehr tief gestaffelten Abwehr nach Balleroberung die Kugel fast immer so weit wie möglich in die gegnerische Hälfte drischt, dass ein großes Loch zwischen der eigenen Defensive und der Offensive klafft, dann geht es hier wohl nicht allein um den technischen Paß, sondern auch um die taktische Sinnhaftigkeit dieser Entscheidung? Es war nur eine Frage der Zeit, wann seine Vorderleute aufgrund der langen Laufwege den konditionellen Tribut zahlen mußten. Auch und gerade, weil der Torwart eine Schlüsselfunktion hat, das gesamte Spielfeld überblicken kann, ist er mitverantwortlich für kluge Spieleröffnungen.
Nicht nur beim 2. Tor, sondern auch bei einigen anderen Aktionen sah der junge Keeper unentschlossen aus. Es ging schließlich auch für ihn um viel. Aber warum sollen nur seine Mitspieler nervös sein dürfen?
Aber ich möchte den Keeper gern auch in Schutz nehmen! Denn vielerorts wird nach wie vor isoliert und nicht spielnah trainiert, sodass sie im Training nicht alle wichtigen Erfahrungen sammeln können für den Wettkampf.
Tauscht endlich Pylonen, Hütchen, Stangen, ect. als wichtige Signalgeber gegen echte lebenige Spieler aus. So, wie ihr es mit der Mannschaft macht, ist es gut! Denn im Spiel ist fast alles in Bewegung, aber euer Trainingsmaterial ist es nicht. Um zu wissen, wie die Mitspieler und Gegner "ticken" muß man auch die Torleute alles machen lassen, was die Mitspieler machen dürfen. Um zu verstehen, was man macht bzw. besser nicht macht, macht man es!
Vielfach enden die Trainingsübungen mit dem Torschuß, weshalb man nach solchen Aktionen ein "abschalten" der Mitspieler feststellt. Doch im Wettkampf landen (beim guten Keeper) nur sehr wenig Bälle im Tor, sodass die Übung eigentlich erst mit der wettkampfnahen Spieleröffnung als abgeschlossen gilt. Wie aber soll ein Keeper das lernen, wenn er nur durch Trainingstore werfen oder schießen darf? Denn die bewegen sich ja nicht. Auch gibt es dabei keine Gegner, die plötzlich den Laufweg des Mitspielers kreuzen.
Selbst die Analyse über erfolgreiche Spieleröffnungen stimmt nicht immer. Denn es wird dabei meist vergessen, dass die Mitspieler bzw. die Gegner bei der Ballverarbeitung entscheidend mitwirken.
Spricht nicht so viel über die Torleute, sondern hört ihnen einfach mal zu. Denn dann werdet ihr feststellen, dass eure Sichtweise häufig nicht mit der übereinstimmt, wie sie vom Keeper bei seinen Aktionen wahrgenommen wird.
Wichtig ist es über den Punkt: "unhaltbar" oder "haltbar" hinaus eine Analyse zu machen. Denn es geht vielmehr darum zunächst über Varianten mit höherer Erfolgswahrscheinlichkeit zu sprechen und die dann realitätsnah zu trainieren, damit ein Bezug zwischen "vorher" und "nachher" möglich ist. Denn es geht nicht um ein Bild, was in der Phantasie des Trainers entsteht, sondern um die Summe der Bewegungsabläufe, die unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert werden wollen.