Danke, ich nehm es mal als Kompliment!

Ich gebe dir auch recht, dass in den aller meisten Fällen das Torwarttraining im Nachwuchsbereich nebenher läuft, weshalb eine gute Entwicklung eher mit der hohen Eigenmotivation und Trainingsfleiß zu beantworten ist. Selbst in den NLZ der Bundesligisten gibts meist erst ab der U 15 ein qualifiziertes TW-Training. Je nach dem, wie lang der Keeper dann schon im Kasten ist, haben sie bereits einige fehlerhafte Automatismen eingeschliffen, für die viel Zeit nötig wird, sie erfolgreich zu korrigieren. Aber das ist sicher ein anderes Thema.

Aber so recht weiß ich auch keine Antwort auf deine Frage, ob die Gewichtung des Schwerpunkts zur Zielverteidigung korrekt gewählt sind?

Hab mal in einer Untersuchung gelesen, dass ca. 9 % der Torwartaufgaben beim Spiel in der Zielverteidigung, dies jedoch fast 70 % des Trainingsinhalts bestimmt. Aber was sagen allein die Zahlen aus, wenn:
- man sogar bei den Top-Torhütern unerwartete Patzer sieht,
- keine Wertigkeit zwischen Raum- und Zielverteidigung hat (gemeint ist, in wie viel % der Fälle durch gute Raumverteidigung der gegnerische Angriff erfolgreich abgewehrt wurde, so dass keine Zielverteidigung nötig war)

Ich sehe die Vermutung ähnlich, dass nicht genügend Wert auf die Zielverteidigung und das Stellungsspiel zur Torverteidigung gelegt wird.

Seitdem ich fast kein isoliertes Torwarttraining mehr, sondern Kleingruppentraining mache, in der echte Akteure das Trainingsmaterial ersetzen, können typische Szenen einen größeren Realitätsbezug erhalten, bei denen mehr Fortschritte für alle Akteure erzielt werden. Denn jeder erhält dabei unterschiedliche Aufgaben, die er für sich interpretiert und sofort eine Antwort erhält, ob sie wie gewünscht funktionieren. Allerdings bedarf es dazu auch der Zustimmung des Chefcoaches, der einen Nutzen darin sehen muß. Da hakt es manchmal, weil man die Gefahr sieht, die eigene Handschrift könnte durch Leistungen anderer verfälscht werden.

Denn es gibt hier einen weiteren großen Unterschied in der Trainingsmethode des Kleingruppen-Trainings! Jeder Torabschluß erfolgt hier so, dass der Keeper eine realistische Abwehrchance hat. Dadurch wird der Spieler zum Trainer. Beim klassischen Training in Spielform oder dem Abschlußspiel agiert die Offensive als Gegner. Je nach Zusammenstellung bzw. Über-/Unterlegenheit ergeben sich dadurch eine Reihe von Aktonen, die für den Torwart fast nichts bringen. Entweder steht er bei deutlicher Überlegenheit seines Teams nur dumm rum oder aber er soll mit Minutentakt 100 %-ige Großchancen des Gegners vereiteln. In beiden Fälle läßt die Konzentration des Torwarts rasch nach, sodass wenig Nützliches beim Keeper im Training hängen bleibt.

Die Ziel- und Raumverteidigung kann aber auch untrschiedlich interpretiert werden. Für die Zuschauer mag eine spektakuläre Hechparade einer der Gründe sein, warum er ins Stadion geht. Für die Trainer kann häufiges Hechten aber auch bedeuten, dass der Torwart meist falsch steht und er die Hechtparade nur noch als letztes Mittel sieht, was nichts anderes mehr geht.

Da stellt sich die Frage für den Keeper, was seinen Erfolg mehr garantiert? Mehr Show oder mehr Effektivität. Wenn er bei einer tollen Hechtparade mal nicht an den Ball kommt, so wird ihm das meist als "unhaltbar" nicht weiter angelastet. Flutscht ihm aber trotz guten Stellungsspiels mal ein Ball zwischen den Händen hindurch, dann wird seine Qualifikation sofort infrage gestellt! Was ist richtig, was falsch?

Weil aber der Trainer letzendlich die Verantwortung für die Mannschaftsaufstellung trägt, sind seine Erwartungen ein wesentlicher Teil des Torwartverhaltens. Je nach Trainertyp wird sehr viel Wert auf die Offensive gelegt, sodass man den Torwart nahezu allein in die Verantwortung nimmt, wenn der Gegner mal ein Tor mehr als das heimische Team erzielt. Aber es gibt andere Trainertypen, die gern aus einer sicheren Defensive heraus agieren. Ob der eine Trainertyp als aktiver Spieler mal Angreifer war, während der andere früher in der Defensive agierte, dass läßt vermuten, aber wohl nicht belegen? (auf die Kuriosität, sogar mit einem defensiv starken Fänger offensiv erfolgreich zu sein, wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen - aber der Taktstock eines Trainers wird solange ein stets gehütetes Geheimnis bleiben, bis der Code von einem ehrgeizigen Konkurrenten geknackt wurde!)