Auch, wenn ich Steffen in weiten Teilen recht gebe.
Die damaligen Torwartleistungen mit denen der heutigen Keeper zu vergleichen ist nicht ganz fair. Tempo war nicht ganz so hoch und die Standards nicht ganz so gut vorgetragen. Der Schwerpunkt des Trainings lag damals weitaus mehr auf die Entwicklung der Sprungkraft, als auf das Stellungsspiel. Trotzdem wurde auch damals genug "durchgelassen".
Wenn ein Keeper in einer Aktion ca. 5 - 6 Meter Distanz zurück legen muß, ein paar mal 20 - 25 m Sprint zum Ablaufen von Flanken zurück legt, dann reichen ca. 20 cm Körperlänge oder 40 cm Sprungkraft mehr allein nicht mehr aus, wei auch Jörg Daniel einmal erwähnte. Um der Mannschaft zu helfen, braucht es Handlungsschnelligkeit, die sich nicht mehr allein auf den finalen Erfolg beim Hechtsprung bezog. Irgendwann wurde der Begriff: "wer viel hechtet, der steht meist falsch" geprägt. Man versuchte bereits dort Stellung zu beziehen, wohin der Ball gespielt werden würde, statt erst dorthin unterwegs zu sein. War eine Aktion nicht erfolgreich, so hieß es pauschal: "der war noch nicht fertig" (gemeint war meist, dass der Keeper weder Gleichgewicht noch Körperspannung in seiner Aktion hatte).
Ich denke man kann den Theoretikern des Fussballs nicht vorwerfen, dass sie permanent nur Unsinn produziert hätten. Vielleicht wäre ein wenig mehr Demut angebracht gewesen. Denn wir wissen fast nichts über den Fussball und glauben deshalb allzugern an nicht hinterfragten Aussagen über den Fussball.
So fände ich es gut, auch die Rahmenbedingungen zur Ausbildung und Entwicklung der Torhüter ins Kalkül zu ziehen, statt sich allein auf das zu beziehen, was wir im Seniorenfussball als "traditionellen" oder "modernen" Torwart bezeichnen würden?
Hier stoßen wir bereits auf ein Problem bei der Positionsfixierung. Denn die entscheidet zuallermeist der Trainer, nicht der Spieler! Bei seiner Entscheidung handelt es sich vielfach um "Mulittalente", die auf jeder Position bessere Leistungen erzielen als ihre Kollegen. Statt Tore zu verhindern entscheiden sich die meisten Trainer dafür Tore zu erzielen.
Erst später, wenn die Teams homogener werden, kann es mal vorkommen, dass ein Talent die Chance bekommt, ins Tor zu wechseln. Doch auch dann meistens auf der Basis dessen, dass er auf dem Feld nicht mehr mit seinen Kollegen mithalten kann. Weil ihm danach weitere Praxis auf dem Feld fehlt, werden die Leistungsunterschiede schließlich immer größer, bis er im Seniorenbereich angelangt ist. Denn seine Trainngsinhalte sehen nunmehr deutlich anders aus.
Ich kenne vermutlich die Vision des Torspielers 2.0 zu wenig? Aber ein Gegentor zu kassieren, weil man es keine gute Spieleröffnung technisch ausführen kann, deshalb ein Tor kassiert, kann ja auch mal ein Spiel entscheiden.
Um Aussagen über Gegenwart und Perspektiven für die Zukunft zu treffen, lohnt fast immer ein Rückblick auf die Ausbildung von Torleuten. In der Nachwuchsförderung beobachtet man sehr häufig "multifunktionale" Talente, die im Fussball in allen Positionen ihren Mitspielern deutlich überlegen sind.
Aber so ein Multitalten spielt selten im Tor. Selbst wenn er es wollte, entscheiden seine Trainer darüber, wo er für die Mannschaft "wertvoller" ist. Da macht es doch mehr Spaß sein Team Tore schießen zu sehen als Tore zu verhindern. Auch später ist die Wertigkeit beim Angreifer höher als in der Defensive.
Wie soll man einen Beleg dafür liefern, dass so ein Multitalent auch auf der Torwartpostion bessere Leistungen als seine Kollegen, wenn das Multitalent nicht im Tor spielt bzw. dort nicht einmal spielen darf?