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Thema: Ein Plädoyer gegen das (gar nicht mehr so) moderne Torwartspiel

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  1. #1
    Amateurtorwart
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    Zitat Zitat von Icewolf Beitrag anzeigen
    Sind doch ganz brauchbare Erfahrungen...
    Mein Eindruck ist, dass durch die extreme Verweichlichung der didaktischen Mittel dieses Bewusstsein gar nicht mehr entsteht.
    Deine Kritik deckt sich mit dem, was viele Trainer für die Ursache dafür halten, warum ca. 95 % aller Fussballer ihr Leistungslimit nicht erreichen. Sehr viele Talente scheitern genau an diesem Punkt beim Versuch aus ihrem Hobby einen Beruf zu machen. Nur, ist das wirklich so neu oder behauptet das nicht jede Generation von der Nachfolgenden?

    Jeder möchte gerne gelobt werden. Lob bekommt man jedoch nicht für die einfachen Dinge, sondern für Außergewöhnliches. Allerdings nur dann, wenn auch die einfachen Dinge zuverlässig erledigt werden. Letzteres wird aber gern vergessen.

    Die Antwort darauf könnte in folgendem Satz, den ich wiederholt von Profis gehört habe, liegen: "Es gab in meiner Jugend viele Spieler mit mehr Talent als ich, aber ich habe mich durchgesetzt." Talent allein genügt nicht, wenn sie nicht mit Leistungskonstanz in einem günstigen Verhältnis steht.

    Allerdings fehlt es einerseits an der Lebenserfahrung, andererseits lebt man in einem Umfeld, in der Berater und Verein den Alltag regeln, so dass kaum Entscheidungen getroffen werden müssen. Wer jedoch nicht lernt, die Konsequenzen eigener Entscheidungen hinreicht zu spüren, der läuft Gefahr "sich zu verweichlichen", in dem er andere für sich entscheiden läßt und irgendwann die Quittung, nicht mehr den Ansprüchen zu genügen.

    Es ist die eigene Lebenserfahrung: wenn du etwas machst, dann mach es richtig. Denn halbherzig kannst du nichts erreichen. Allerdings ist das nicht immer so einfach zu erkennen. Denn man sieht die Fehler anderer, die aber nicht bestraft werden und wieder andere werden bestraft, obwohl ihnen keine Nachlässigkeit vorzuwerfen war? Es geht derweil hochemotional her, obwohl kühler Kopf sehr viel besser wäre, weil damit sehr viel Geld verdient, aber auch verloren werden kann.

    Es scheint letzendlich fast immer eine Frage des starken Willens zu sein, weil das Talent allein nicht ausreicht, den größtmöglichen Nutzen aus seinen Fähigkeiten für die Mannschaft auf den Platz zu bringen. Beim Fussball zählen aber letzendlich nur die Ergebnisse, weshalb dem französischen Nationalkeeper gern das geschenkte Tor im WM-Finale verziehen wird, während einem andern (Giefer) die Schuld an der Niederlage gegeben wird.

  2. #2
    Internationale Klasse Avatar von Icewolf
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    Zitat Zitat von twtrainer Beitrag anzeigen
    Deine Kritik deckt sich mit dem, was viele Trainer für die Ursache dafür halten, warum ca. 95 % aller Fussballer ihr Leistungslimit nicht erreichen. Sehr viele Talente scheitern genau an diesem Punkt beim Versuch aus ihrem Hobby einen Beruf zu machen. Nur, ist das wirklich so neu oder behauptet das nicht jede Generation von der Nachfolgenden?
    Häufig sagt die ältere Generation sowas, weil sie neidisch ist, dass Dinge in der heutigen Zeit einfacher zu erlangen sind. Und dann vergleichen sie ihren Weg mit dem heutigen und ärgern sich, dass sie es so schwer hatten.
    Ich bin weit entfernt davon, mir das Gebrüll und die Strafen und dergleichen aus den 80er und frühen 90er Jahren zurückzuwünschen.
    Man hat erkannt, dass Druck kein Ratgeber ist und dass bestimmte Menschen sehr negativ darauf reagieren, während sie bei entsprechender Didaktik zu Großem getaugt hätten.


    Mittlerweile ist jeodch ein Niveau erreicht, von dem ich das Empfinden habe, dass - wie in der Erziehung - eine Schraube überdreht ist.
    Es gibt weitestgehend nur noch Trallala-Hopsassa.
    Und so entwickelt man keine Stress-Resistenz und die braucht man im Fußball auf jeden Fall (in anderen Bereichen auch, aber das führt zu weit).
    Wie willst Du sonst in wichtigen oder schwierigen Momenten sicher sein, dass Dir die Birne (auf'm Hals) keinen Streich spielt. Die Basics MÜSSEN einfach sitzen.
    Wie vermittelt man das richtige Gefühl dafür, dass die Aktion jetzt klappen MUSS, Du als Keeper das aber auch bewältigen wirst, weil Du es drauf hast?
    Zitat Zitat von twtrainer Beitrag anzeigen
    [...]
    Es scheint letzendlich fast immer eine Frage des starken Willens zu sein, weil das Talent allein nicht ausreicht, den größtmöglichen Nutzen aus seinen Fähigkeiten für die Mannschaft auf den Platz zu bringen. Beim Fussball zählen aber letzendlich nur die Ergebnisse, weshalb dem französischen Nationalkeeper gern das geschenkte Tor im WM-Finale verziehen wird, während einem andern (Giefer) die Schuld an der Niederlage gegeben wird.
    Sorry, aber völlig unvergleichlich.
    Unterschiedlicher Wettbewerbsmodus, Spielstand, Relevanz der Aktion für das Spiel, Art der Fehlleistung, Bereich der Fehlleistung, Vorgeschichte bis zum Fehler - ich könnte weiter machen.
    Die Qualität des Breierzeugnisses ist reziprok proportional abhängig von der Quantität der partizipierten Köche.

  3. #3
    Amateurtorwart
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    Zitat Zitat von Icewolf Beitrag anzeigen
    1. Ich bin weit entfernt davon, mir das Gebrüll und die Strafen und dergleichen aus den 80er und frühen 90er Jahren zurückzuwünschen.
    Man hat erkannt, dass Druck kein Ratgeber ist und dass bestimmte Menschen sehr negativ darauf reagieren, während sie bei entsprechender Didaktik zu Großem getaugt hätten.


    2. Mittlerweile ist jeodch ein Niveau erreicht, von dem ich das Empfinden habe, dass - wie in der Erziehung - eine Schraube überdreht ist.
    Es gibt weitestgehend nur noch Trallala-Hopsassa.

    3. Und so entwickelt man keine Stress-Resistenz und die braucht man im Fußball auf jeden Fall (in anderen Bereichen auch, aber das führt zu weit).
    Wie willst Du sonst in wichtigen oder schwierigen Momenten sicher sein, dass Dir die Birne (auf'm Hals) keinen Streich spielt. Die Basics MÜSSEN einfach sitzen.
    Wie vermittelt man das richtige Gefühl dafür, dass die Aktion jetzt klappen MUSS, Du als Keeper das aber auch bewältigen wirst, weil Du es drauf hast?
    Sorry, aber völlig unvergleichlich.
    Unterschiedlicher Wettbewerbsmodus, Spielstand, Relevanz der Aktion für das Spiel, Art der Fehlleistung, Bereich der Fehlleistung, Vorgeschichte bis zum Fehler - ich könnte weiter machen.
    ----------------

    zu 1. Es wurde weniger Inhalt vermittelt, weil mehr Wert auf die Autorität des Trainers gelegt wurde.

    zu 2. Durch stetige Erhöhung des Lernpensum entsteht der Wunsch nach Freiräumen (Trallaa-Hopsassa) ohne Leistungsstress, weil die Leistungsselektion immer früher beginnt.

    zu 3. Übungen/Spielformen immer ein klein wenig anders gestalten, damit das "Spekulieren" (routinemäßiger Bewegungsablauf bei ähnlichen Situationen) vermieden wird. Ist allerdings nicht allein auf den Torwart gemünzt und läßt sich fast beliebig übertragen. (wir glauben täglich dem Wetterbericht, obwohl der meistens nicht stimmt und sich niemand jemals für seinen Irrtum entschuldigit hat) Als Beispiel fällt mir der geworfene Papierkneul ein, der beim Spiel des HSV gegen Werder einen Ball leicht abfälscht und schließlich zum Siegtor führt.

    Allgemein: Wer aber meint, es gäbe irgendein zuverlässiges Rezept, bestimmte Fehler ausschließen zu können, der irrt. Den Beweis dafür liefert jeder selbst täglich. Dabei macht es keinen Unterschied, ob er sich im Moment seines Fehlers über etwas anderes nachdenkt oder sogar ärgert.

    Richtiger Umgang mit Fehlern wäre eine andere Sache! Allerdings sind es häufig die eigenen Fehler, die als Kavaliersdelikte gesehen werden, während die der anderen unverzeihlich sind. Gerade, weil nur das Ergebnis am Ende zählt, ist es eine hochemothionale Sportart, die aus endlosen Überraschungen besteht. Langweilig und fast mitleidig verfolgt man das Spiel, wenn ein Favorit seiner Rolle gerecht wird. Man freut sich über einen Sieg ganz besonders, wenn das Spiel spannend war!

    Man mag sich die Frage stellen, ob man als "Fussballbekloppter" eher die Frage stellen sollte, aus dem Guten etwas noch Besseres zu machen, als aus dem Schlechten etwas halbwegs Gutes zu machen?

  4. #4
    Internationale Klasse Avatar von Icewolf
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    Zitat Zitat von twtrainer Beitrag anzeigen
    [...]
    Allgemein: Wer aber meint, es gäbe irgendein zuverlässiges Rezept, bestimmte Fehler ausschließen zu können, der irrt. Den Beweis dafür liefert jeder selbst täglich. Dabei macht es keinen Unterschied, ob er sich im Moment seines Fehlers über etwas anderes nachdenkt oder sogar ärgert.
    Es geht auch nicht darum Fehler auszuschließen, sondern eine bestimmte Art von Fehlern weitestmöglich einzudämmen.
    Dein Beispiel zu 3. leuchtet mir leider überhaupt nicht ein...
    Mir geht es darum, dass man damit zurecht kommt, dass es Anforderungen gibt, die unangenehm sein können, die aber Pflichtprogramm sind.
    Mentale Stabilität, wenn Du so willst. Sonst bist/wirst Du nicht gut.
    Und ich lehne diese mehr oder weniger esoterischen Ansätze ab (nicht auf Dich bezogen, aber was manche so veranstalten).
    Zitat Zitat von twtrainer Beitrag anzeigen
    [...]
    Man mag sich die Frage stellen, ob man als "Fussballbekloppter" eher die Frage stellen sollte, aus dem Guten etwas noch Besseres zu machen, als aus dem Schlechten etwas halbwegs Gutes zu machen?
    Ist ein verbreiteter Ansatz auch in der Wirtschaft, sich vertikal (also in der Tiefe) zu verstärken und nicht horizontal (in der Breite). In der Finanzwirtschaft oder im Großhandel mag das möglich sein.
    Funktioniert im Ballsport nur ganz bedingt, beim Fußball-Keeper meiner Meinung nach überhaupt nicht.
    Wenn einer merkt, dass Du reaktionstechnisch ne Rakete bist, aber bei allen hohen Bällen auf der Linie klebst, wird man diese Schwäche belasten. Und das geht nicht lange gut.
    Zu behaupten, man könne eine Stärke derartig ausbauen, dass Du alles, aber auch alles auf der Linie hältst, auch wenn Du keine 4 Meter raus kommst, ist Unsinn, würde ich sagen. Das geht nicht.
    Die Qualität des Breierzeugnisses ist reziprok proportional abhängig von der Quantität der partizipierten Köche.

  5. #5
    Amateurtorwart
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    Zitat Zitat von twtrainer Beitrag anzeigen
    Allgemein: Wer aber meint, es gäbe irgendein zuverlässiges Rezept, bestimmte Fehler ausschließen zu können, der irrt.
    Naja - ein bisschen geht das schon nach der alten Methode "Alle sagten das geht nicht und dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht".

    Ich bleibe bei meinem Exkursbeispiel des einhändigen Faustens. Das ist natürlich nicht lege artis und risky, aber manchmal besser als nichts. Dennoch ist man vom Trainer früher beinahe kielgeholt worden, wenn man das gemacht hat (meine Spezialität).
    Da kam der Assistenztrainer während des Spiels hinter's Tor gelaufen und hat mich angezischt "Das will ich nicht noch einmal sehen..."

    Was will ich damit sagen: Ein bisschen weniger Dogma, sondern auch unorthodoxe Abwehr-Methoden zuzulassen - bspw. auch Fußabwehr - früher als ärmlicher Handballtorwartreflex abgetan, heute (fast) etabliert. Denn im Endeffekt zählt beim Fußball nur die "Null". Es gibt keine Haltungswertung.

    [Anders bei 75 % der Fernsehkommentatoren - bei denen geht die Torwartgüte nach Qualität des Fliegens zum dankbaren halbhohen Ball. Aber wehe, ein Ball geht ins TORWARTECK (Jehova!)... dann sollte man den Keeper eigentlich sofort auswechseln und billigst verkaufen...]
    Geändert von Marsson (28.09.2018 um 09:53 Uhr)


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