Hallo Sam1,

Ich denke, dass Agressivität und Fairness kein Widerspruch sind, sondern sich sogar idealerweise ergänzen können, wenn der Ehrgeiz und Eigenmotivation auch den Spaß an die eigene Leistung geweckt haben.

Natürlich hat dabei sein Trainer eine wichtige Rolle. Lobt er seinen Keeper genug und dosiert er das Lob für gute und sehr gute taktische Lösungen und korrete technische Ausführung? Schließt er jede Trainingsübung mit einem Erfolgserlebnis für seine/n Keeper ab, um ihm Selbstvertrauen zu geben?

Wichtig sind dabei aber auch, dass die Korrekturen vom Trainer so vermittelt werden, dass sie der Torwart unmittelbar verstehen kann und nicht erst herum rätzeln muß, was wohl alles damit gemeint sein könnte.

Das Coaching eines Keepers während des Spiels ist besnders schwierig. Denn er soll sich eigentlich voll aufs Spiel konzentrieren. Meistens genügt es vollkommen, wenn man ihm beim nächsten Training zunächst die Möglichkeit gibt, die torgefählichen Aktionen aus seiner Sicht beschreiben zu lassen, gemeinsam mögliche Optimierungen zu besprechen und die dann gleich auf dem Platz auszuprobieren. Dadurch bekommt der Keeper meist einen guten Eindruck zwischen "vorher" (im letzten Spiel) und "jetzt" durch bessere Lösungen.

Mit Aussagen: "da hast du aber nicht gut ausgesehen" wird der Keeper nur dann etwas anfangen können, wenn ihm sofort bewußt wurde, was er falsch gemacht hat. Es gilt ja auch zu prüfen, was noch nicht verstanden oder nicht ausreichend technisch beherrscht wurde.

Leider finden sich nicht immer ausreichend Hinweise im Anforderungsprofil des Keepers. So findet sich in den Präsentationsfolien für den DFB-Nachwuchs-Keeper die Eigenschaft Mut. Aber sollte nicht jedes Teammmitglied Mut besitzen. Oder andes gefragt, gibt es überhaupt eine Sportart, die für ängstliche, feige Menschen besonders geeignet wäre?

Natürlich kann die Physis auch eine Rolle spielen. Insbesondere, wenn sie häufiger angezweiflet wird und als Begründung für Torwartfehler herhalten soll. Denn irgendwann glaubt man selbst, man wäre dafür zu klein, zu dünn oder zu dick! Aber was spielt das für eine Rolle? Insbesondere im Nachwuchsbereich, wo sich die Physis noch verändert. Wenn ich unbedingt wissen will, wie groß mein Keeper mal werden wird, dann reicht es meist, wenn ich mir seine Eltern anschaue und ein paar Zentimeter drauf rechne. In einem anderen Thema wurde bereits beschrieben, dass normale Statur vorkommen ausreicht und die Handlungssschnelligkeit (Entscheidungsfreude, Sprint- und Maximaltempo, Balance, technische Versiertheit, usw.) die Anlagen sehr viel präziser als man dies in der traditionellen Beschreibung findet.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten zur Verbesserung der Handlungsschnelligkeit, die man ebenfalls als Aggressivität beschreiben könnte. Bei Matthias Nowak (Bayern Münschen) findet man sehr gute Multitasking-Übungen hierfür.

Aber natürlich sollte man sich mit dem Entscheidungsverhalten seines Keepers beschäftigen, um herauszufinden, in welchen Situationen er durch kurzes Zweifeln an möglichen Lösungen zögert, bzw. nicht wie gewünscht reagiert.

Nachfolgend ein Beispiel aus dem Anfängerbereich.

Der Torwart stützt sich beim Abkippen mit einer Hand auf dem Boden ab (statt mit beiden Händen nach dem Ball zu greifen). Der Keeper befürchtet Schwerzen beim Bodenkontakt. Man sollte ihm zunächst einmal vermitteln, wie er sich über Oberschenkel, Hüfte und Schulter richtig abkippt. Das kann man z.B. dadurch machen, das man sich ca. 1 1/2 Armlängen vor dem Keeper positioniert, ihm den Ball seitlich hinhält, indem man eine Hand darunter und die andere Hand drauflegt. Der Keeper soll dann aus der Hocke heraus den Körper lang ausstrecken und mit beiden Händen gleichzeitig nach dem Ball greifen, den ihr solange aber gemeinsam führt, bis der Keeper über Oberschenkel, Hüfte und Schulter den Bodenkontakt aufgenommen hat. Das Festhalten durch den TW-Trainer verhindert, dass der Keeper durch falsche Technik (z.B. abspringen) schmerzhaft landet. Erst, wenn der Keeper den Bewegungsablauf versteht und technisch ausführen kann, sollte er sich daran ausprobieren.
Bei den Anfängern ist es noch häufig so, dass sie die Koordination zum starken Fuß hin gut hinbekommen, aber beim schwächeren Fuß ihre Probleme haben. Fängt man mit der stärkeren Seite an, gibt man ihm Selbstvertrauen, das auch auf der schwächeren Seite hinzubekommen.

Gerade bei den Anfängern ist es wichtig, dass sie die Torwartaufgaben mit Spaß kennenlernen, um darin später auch den Spaß an der eigenen Leistung zu entwickeln.

Weitere typische Anfängersituationen sind:
1. Torwart bleibt auf der Torlinie (geringer Schmerz aufgrund größtmöglicher Distanz zum Schuß), weil Keeper noch nicht gelernt hat, dass er solange einen Raum verteidigt, bis er das Ziel des Balles kennt
2. Torwart streckt Arm weit in Schulterhöhe aus (hierbei ist Verletzungsrisiko sogar größer, wenn Ball auf Fingerspitze prallt und überdehnt wird)
3. Torwart dreht sich beim 1 vs 1 weg (möchte Ballkontakt im Gesicht, Magengrube vermeiden), weil Keeper noch nicht gelernt hat, durch richtige Distanz und Armhaltung Körperteile meistens sehr gut zu schützen

Ihr habt es in der Hand, ob der Spaß für jeden, der Lust auf die Torwartaufgaben hat, wächst oder ob der Frust wächst und man schließlich noch von Laien als Fliegenfänger beschimpfen lassen muß.

Wenn du weitere Tipps haben möchtest, dann solltest du noch ein paar Angaben zu deinem Keeper machen:
Wie alt ist er?
Wie lange ist er schon Torwart?
In welcher Liga spielt er?
Wie würdest du seine Physis im Vergleich zu gleichaltigen Spilern beschreiben.