Liebe Torwart- und Torwarttrainerkollegen,

der Jahreswechsel bietet häufig die Gelegenheit für ein Resümee und den daraus abzuleitenden Visionen.

In der WELT wird Gladbachs Manager Max Eberl über seine Ansichten zur Entwicklung der Fußballprofis und der Nachwuchsbereiche befragt. (siehe: https://www.welt.de/print/welt_kompa...html#torfabrik)

Nichts Neues gibt er zum Thema Geld preis. Dann stellt er jedoch heraus, dass der deutsche Fussball nach der WM viel zu schlecht gemacht worden sei. Beim Thema Talentförderung haut er jedoch richtig auf dei Pauke, weil er glaubt, es könne nicht gut sein, wenn ein Kind mit 13 Jahren schon satt ist, weil sie bis dahin schon alles gesehen hätten? Er schätzt, dass bislang ca. 50 % der Talente deshalb verloren gehen, weil man sie zu früh ins NLZ holt. Man sollte sie besser noch in ihren Vereinen belassen und dort Leute vorbei schicken, die sie weiter fördern. Es würde völlig genügen, sie mit 15 zu holen, weil man Spieler braucht, die viel Lust auf Fussball und noch hungrig auf Erfolge sind.

Das alles kann man sicher unterschreiben. Allerdings erwähnt er nicht, dass es auch hier und da an guter, kontinuierlicher Nachwuchsarbeit mangelt. Denn wenn ein junges Talent die Entscheidung trifft, sich in einem größeren Verein ausbilden zu lassen und dabei sehr viel Zeit investiert, dann soll es sich auch lohnen. Wenn aber, wie beim seinem Verein der einzige hauptamtliche Torwarttrainer mit der Profimannschaft unterwegs ist, dann ist aufgrund der anderen ehrenamtlichen Torwarttrainer weder Qualität noch Regelmäßigkeit im Nachwuchsbereich sichergestellt. Dies ist leider kein Einzelfall, weshalb man sich nicht darüber wundern darf, dass vermehrt im Ausland ausgebildete Keeper den deutschen Torwarttalenten vorgezogen werden. Man kann hier zwar nicht von einen großen Problem sprechen, aber es könnte für die Zukunft eines werden.

Wie man eine Talentförderung anders gestalten kann, dass machte der FC Twente jahrelang vor. Es mußte aufgrund der Insolvenz im Seniorenbereich zwischenzeitlich eingestellt werden, soll jedoch jetzt mit neuem Leben erweckt werden. Ein Rezept für den Erfolg hat auch Twente sicher nicht. Aber trotzdem schaffte sie es Jahr für Jahr junge Talente für höchste Aufgaben auszubilden, während hierzulande sich manchmal jahrelang kein einziges Talent aus dem eigenen Nachwuchs einen Stammplatz im Profiteam des Vereins erarbeiten konnte. Deshalb gilt es die Frage zu stellen, was Twente anders macht?

1. Kosten und Personalaufwand werden geteilt
Twente teilt sich mit Hengelo die Kosten und den Personalaufwand. So befindet sich die Nachwuchs-Akademie nicht in Enschede, sondern in Hengelo. Dass sich mehrere Vereine die Aufgaben in der Talentförderung teilen, wäre sicher in Deutschland auch möglich. Allerdings müßte man dann zunächst einmal über seinen eigenen Schatten springen und das Kirchturmdenken aufgeben. Denn durch die Kooperation mehrerer Vereine kann es besser gelingen, gemeinsam über den gesamten Jugendzeitraum möglichst viele Talente für höchste Herausforderungen auszubilden, als dass man nach dem Motto: "der Nächste bitte" permanent hohen "Frischfleischbedarf" hat, weil kurzfristige Saisonziele gekoppelt mit einer hohen Trainerfluktuation keinen guten Plan für eine vollständige Talentausbildung ergeben.

2. Talentsichtung (dynamisch statt statisch)
Twente verläßt sich nicht darauf, dass die Talente von ganz allein zu ihnen kommen, sondern sichtet mit eigenen Mitarbeitern in jedem Verein der regionalen Umgebung selbst Talente, um sie in der natürlichen Umgebung beim Fussball unter Freunden zu beobachten. Hat man ein Talent entdeckt, so werden Eltern, Trainer und Verein informiert. Ab der F-Jugend werden dann die gesichteten Talente immer wieder zu Fördermaßnahmen eingeladen. Sie bleiben jedoch bis zur D-Jugend in den Heimatvereinen. Man beobachtet die Talente also jahrelang, bis man sich gemeinsam bei einigen Kinderns sicher ist, dass hier eine weitere Förderung lohnt.

3. Talentauswahl (weniger ist meist mehr)
Die Talentauswahl erfolgt bei Twente nicht allein durch den verantwortlichen Trainer des Jahrgangs, sondern daran sind alle Trainer des Nachwuchsbereichs beteiligt und selbstverständlich dann auch gemeinsam für die bestmögliche Ausbildung verantwortlich. Dabei spielen nicht die Mannschaftsergebnisse, sondern die Ergebnisse der Leistungsentwicklung der einzelnen Spieler eine große Rolle. Allerdings wissen sie, dass diese nur selten linear erfolgt, sondern dass es auch Zeiten einer Leistungsstaganation geben kann, weshalb eine Vertrauensbasis vorhanden sein muß, damit man gemeinsam in die Zukunft investiert. Damit aber alle Talente situativ gut gefördert werden können, werden sie dort eingesetzt, wo die Balance der momentanen Leistung und Herausforderung am besten passt. Um mal einen Vergleich aufzuzeigen, seien hier 2 deutsche U 17 Nationalspieler genannt. Beide erhalten regelmäßig Einladungen vom DFB. Weil aber der eine im Moment stagniert, spielt er bei Twente in der U 16 und weil sich der Andere gerade in einem Leistungshoch befindet, spielt er in der U 19. Denn hier steht nicht allein die Mannschaft mit ihrer Saisonleistung im Mittelpunkt, sondern es sind die Talente, die zu Profis gefördert werden sollen. Gelingt es hierbei jedes Jahr 1 - 2 Spieler in den Profibereich zu bringen, dann trägt sich das Zentrum fast von selbst.


4. Taktische Ausbildung
Natürlich ist die Talentförderung in den Niederlanden auch der Tatsache geschultet, dass es dort längst nicht so viele Spieler gibt wie hier und man deshalb dort keine Talentverschwendung betreiben kann. Allerdings geht man nicht überall die gleichen Wege des großen Fussballnachbarn Deutschland. Während hier die Spieler meist schon ab der U 15, manchmal sogar noch früher bereits weitgehend in Systemen ausgebildet werden, liegt dort die technisch-taktische Einzelspielerausbildung im Fokus. Deshalb wird durchgängig ein 4 : 3 : 3 System gespielt. Nur in der U 19 wird gegnerabhänig bestimmt, in welchem Raum man selbst Überzahl haben möchte und wo man es dem Gegner gestattet. Dieses einheitliche System macht es den Spielern einfacher, weil sie sich nicht bei jedem Trainer an andere taktische Varianten gewöhnen müssen, sondern aus einer taktischen Gewissheit heraus ihre individuellen Fähigkeiten entwickeln können.

Natürlich hat auch dieses Ausbildungssystem ihre Nachteile. So sind auch die Verantwortlichen bei Twente fest davon überzeugt, dass viel Training auch die Wahrscheinlichkeit erhöht, viele Profis zu bekommen. Das aber viele Ballkontakte nicht automatisch auch zu guten Ballkontakten werden und deshalb Zeit vor sportlicher Leerlauf draufgeht, ist dort ebenfalls noch nicht angekommen. Jede Monotonie ist schädlich für die Ausbildung. Zur Bildung gewünschter Automatismen müssen sie ausprobiert und verstanden werden. Aber es gibt keine Zeit zum Verschwenden.

Es lohnt sich in jedem Falle voneinander zu lernen, statt sein Modell als das Non-plus-ultra gar nicht erst zu hinterfragen. Bei uns findet man nach wie vor Verantwortliche, die die Talentförderung wie die Ausbildung kleiner Erwachsener begreifen. Aber wie soll eine Ausbildung der besten Talente stattfinden, wenn die halbe Liga der obersten U 15, U 17 und U 19 um den Klassenerhalt kämpft, sich deshalb den physisch und pschyisch starken, in den ersten Monat des Jahres geborenen Talenten bedient, sodass die, die noch etwas Zeit zur biologischen Entwicklung benötigen, schon früh aussortiert werden. Hinzu kommt, dass man durch das frühe Abwerben vielen Führungsspielern in ihren Heimatvereinen gar keine Chance gibt, sich durch ausreichend Praxiseinsätze weiterhin als dominante Spieler zu entwickeln. Gerde die jüngeren Jahrgangskeeper kommen dort hin und wieder nicht mal auf 10 % Wettkampfeinsätzen. Klar, dass sich dann der Leistungsunterschied zwischen dem Stamm- und Reservekeeper im Nachwuchsbereich vergrößert. Hier müßte es zunächst einmal durch geeignete Regeln sichergestellt werden, dass die besten des Jahrgang (nicht des ersten Quartals) mindestens 50 % Wettkampfeinsätze erhalten, sodass ein fairer Wettbewerb in jeder Altersstufe gewährleistet ist.

Hierzulande findet aber eine Abwerbung von unten nach oben statt, weil es ums Geschäft mit den jungen Talenten geht.