Viel Licht und viel Schatten!
Noch ist es wohl zu früh für ein Fazit der Frauen-WM 2019. Hochklassige, spannende Spiele gab es wenig zu bestaunen. Manche Teams (aus Asien und Afrika) wußten sich den technisch-taktisch überlegenen Teams nur durch zusätzliche Härte zur Wehr zu setzten. Leider gab es auch Spiele, die die Vorurteile über den Frauenfussball bestätigen. Mag es Zufall sein, dass gerade die Spiele der anderen Gruppen von besonderer Qualität waren. Herausnehmen möchte ich hier die Partien der US-Girls gegen Frankreich und insbesondere gegen England, die in meinen Augen eine sehr gute Werbung für den Frauenfussball darstellten. Die Teilnehmer am Halbfinale: Niederlande und Schweden haben aber denen die Argumente genommen, die meinen, man müsse nur mehr weibliche Mitglieder in die Vereine locken. Nein, aus der Masse allein wird noch keine besondere Klasse. Das zeigt allein schon die Statistik. Während es in Schweden isngesamt 1,01 Millionen Fussballspieler gibt, kicken in Deutschland über 1,1 Millionen Mädchen und Frauen (Details siehe https://de.statista.com/statistik/da...ehmerlaendern/ )
Es scheint aber so, als dass der deutsche Frauenfussball den Kontakt zur Weltspitze, ja selbst zur europäischen Spitze verloren hat. Argumente wie "junges Team muß erst noch zusammen wachsen", "neue Trainer müssen erst noch ihre Spielphilosophie hinein bringen" mögen durchaus zutreffend sein, können jedoch längst nicht erklären, warum andere Nationen unseren Mädels den Rang abgelaufen haben. Da muß man schon etwas genauer hinschauen, um die unterschiedlichen Entwicklungen zu erkennen. In Deutschland ist der Mädchenfussball zumeist in den Schulen entstanden. Doch weil Frauen nach damaliger Meinung viele "Fussballfachleute" ja keinen "richtigen Fussball" spielen können, gab es eigene Frauenfussballvereine. Geografisch sehr günstig dazu gab es Unis mit Sport-Fachbereichen, zu denen Studentinnen wechselten. In den deutschen Profivereinen hat man den Frauenfussball mehr oder weniger ignoriert. Aber selbst dort, wo er sich bereits etabliert hatte, wurden jahrelange Bemühungen mit einem Federstrich zunichte gemacht. Wer erinnert sich nicht an die Abmeldungen der 1. und 2. Frauenmannschaft des HSV aus der 1. und 2. Bundesliga? In anderen Ländern erlangte der weibliche Fussball aber in den großen Profivereinen an Bedeutung. Dort wurden die Talente systematisch ausgebildet.
Bei uns gibt es nicht einmal ein flächendeckendes funktiionierende Scouting von talentierten Mädchen. Aber selbst dann, wenn das Talent festgestellt wird, gibt es deutlich mehr Eltern, die ihre Tochter nicht in der Talentförderung unterstützen. Sie wünschen sich eher, dass es Völkerball oder ähnliches in ihrer Freizeit macht, wo die Mädchen nicht wild herumrennen, sondern in kleinen Grüppchen sich über die Zukunft an der Seite ihre zukünftigen Prinzen unterhalten.
Doch auch innerhalb der Talentförderung gibt es deutliche Unterschiede. So benötigt ein Auswahltrainer im Jungenbereich eine Leistungslizenz, während bei den Mädchen zunächst einmal eine Breitensportlizenz reicht. Während die Jungen am wöchentlichen Fördertraining teilnehmen, gibt es das für Mädchen nur 2 x mtl. außerhalb der Ferienzeiten.
Anders als im Jungenbereich, wo die hochtalentierten Nachwuchsspieler nach ihrer Ausbildung in der Kreisauswahl und dem DFB-Stützpunkt eine weitere Ausbildung in einem NLZ erhalten, ist für viele Mädchen hier bereits Schluß mit einem für ihre Bedürfnisse ansprechenden Fussball. Denn weil ihnen keine millionenschweren Verträge winken, sondern bis auf einige wenige Ausnahmen niemand seinen Lebensunterhalt als Profi im Frauenfussball bestreiten kann, schlagen sie einen anderen Weg ein.
Weil aber auch im modernen Frauenfussball "der Ball vom Kopf in den Fuß gespielt" wird, bedarf es zunächst einmal ein Umdenken bei den Verantwortlichen, damit ein flächendeckendes Ausbildungssystem realisiert werden kann. Man muß aber das Rad nicht neu erfinden, denn es gibt genügend Beispiele im Ausland, wie es funktionieren kann. Denn das Frauenfussball durchaus attraktiv sein kann, das haben nicht zuletzt die amerikanischen Frauen in dieser WM bereits bewiesen!