Jeder kennt wahrscheinlich die Phrasen von Trainern und Zuschauen: “Der Ball war doch im 5-Meterraum, wieso kommt der Torwart nicht heraus!?“
Ich schätze, dass euch diese Aussagen genau so ankotzen wie mich. Egal, ob es dabei um BuLi Torhüter geht oder aber um Amateure wie uns.
Beleuchten wir doch mal, was bei der Entscheidung das Tor zu verlassen alles bedacht werden muss – bedacht in Millisekunden, bzw. im Idealfall durch einen Automatismus ausgelöst werden muss.
Zum einen müssen wir alle Eventualitäten kalkulieren:
- Flugbahn des Balles
- Windverhältnisse
- „Betrieb“ im Strafraum vor uns
Diese mal um die Hauptfaktoren zu nennen.
Gehen wir nun davon aus, der Ball wird aus dem Halbfeld auf den langen Pfosten getreten. Der Ball hat richtig fahrt zum Tor und vor uns tümmeln sich 4 Gegenspieler und 5 Verteidiger. Das heisst, wenn wir rauskommen wollen, müssen wir uns 9 Spieler vom Hals halten und dann auch noch hochsteigen und den Ball pflücken, bevor er von einem Gegenspieler berührt wird. Ist es uns zu Riskant in solch einer Situation unser Tor zu verlassen, dann verharren wir auf der Linie und hoffen, dass wir den Ball parieren können.
Von aussen kommen Kommentare, dass ein guter Keeper dahin muss. Diese Kommentare regen mich umso mehr auf, wenn sie von Leuten kommen, die wenigsten 40 Meter vom Tor wegstehen. Es ist einfach solche Phrasen in den Raum zu werfen, aber unser erstes Ziel als Torhüter ist nun einmal unser Tor zu hüten. Gehen wir also raus in der Situation und kommen nicht an den Ball, ist das Tor leer. Die letzte Absicherung ist weg.
Andere Situation:
Eckball auf den kurzen Pfosten getreten. Die Vielfalt der dadurch möglicherweise entstehenden Situation kann kaum eingeschätzt werden. Wieder müssen wir in Millisekunden handeln. Wieder war der Ball im 5er und wieder bleiben wir unter Umständen auf der Linie, da wir den Ball am kurzen Pfosten nicht erreichen können. Wieder kommen dumme Kommentare, auch wenn man sich die Kopfballverlängerung des Spielers am kurzen Pfosten sichert, oder aber einen Torabschluss der Gegner parieren kann.
Ich denke, dass es im Torwartspiel nichts komplexeres gibt als die Strafraumbeherrschung. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen und hier profitiert man von einem guten Raumeinschätzungsgefühl und von Robustheit. Des Weiteren darf man nicht nachdenken, denn dieser Moment des Zweifelns, so nenne ich es einmal, kann schon entscheidend auf die Situation Einfluss nehmen.
Wie kommt man nun also zu einem Automatismus, der das Rausgehen auslöst?
Erfahrung ist sicherlich ein Punkt, der nicht zu verachten ist. Auch die körperliche Beschaffenheit des Keepers spielt eine Rolle. Technik darf nicht vergessen werden und was brauchen wir noch? Richtig – wir benötigen Training, um Erfahrungen zu sammeln, um unsere Technik zu verbessern, um Erfahrungen aufzubauen (was passiert, wenn…)
In wie vielen Vereinen werden solche Dinge Woche für Woche vernachlässigt? Ich denke bei 80% der hier schreibenden Protagonisten, wird verlangt, dass sie eine gute Strafraumbeherrschung haben, aber es wird nur selten oder nie Spielnah trainiert.
Leider gibt es, wie bei allen anderen Dingen, das Torwartspiel betreffen, kein Patentrezept oder die eine richtige Entscheidung bei Flanken oder der Strafraumbeherrschung im Allgemeinen.
Also bleibt uns wieder einmal nichts anderes übrig, als das Beste aus unserer Position zu machen, uns stetig zu verbessern und mit dummen Kommentaren von Mitspielern, Zuschauen und Trainern zu leben.
Ich kann nur von mir persönlich berichten und mein erster Senioren-TW-Trainer, der mich extrem weiter gebracht hat, hat mit uns ca. 4 Wochen lang, 4 mal die Woche Flanken trainiert.
Nicht nur Flanken an sich, sondern die kompletten Bewegungsmuster und verschiedene Varianten, wie ich Flanken abfangen kann.