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Thema: Ein Plädoyer gegen das (gar nicht mehr so) moderne Torwartspiel

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  1. #1
    Nationale Klasse Avatar von Anadur
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    Zitat Zitat von Steffen Beitrag anzeigen

    Ich stelle daher keine Nummer Eins mehr, in der klassischen Denkweise, sondern ich stelle einen Torhüter auf, der zu meinem taktischen System passt. Spiele ich defensiv, nehme ich den defensiven Keeper, spiele ich offensiv mit Gegenpressing, nehme ich den offensiven Torwart (von mir aus Torspieler)...
    Aber wenn ich einen offensiven Torwart in ein System bringe, wo ich mehr unter Druck bin und eher defensiv spiele - und der Torwart ist sehr, sehr wichtig im System - dann könnte ich damit einen neuralgischen Punkt im ganzen System fehl besetzen. Damit bringe ich meine Mannschaft auf dieser Position in einen gravierenden Nachteil.
    Ebenso, wenn ich einen defensiven Torwart ins Tor stelle, ich aber den Gegner überleben mit Pressing in der eigenen Hälfte festnagele.

    Das wirft ein ganz anderes Bild auf die Situation, eine Sache, die aber vielen Torleuten gar nicht schmeckt - für mich aber ist das die Lösung der Zukunft und ich weiß nicht, warum just darüber nicht wirklich ein vernünftig denkender Trainer reden möchte. Warum ist die Position Torwart so unantastbar, anstelle hier, wie bei jeder anderen Position entsprechend der Taktik den besser geeigeneten Spieler auf die Position zu stellen?

    Ich schreibe das immer und immer wieder - aber zuhören will da offensichtlich niemand.

    Weil es nicht funktioniert. Fußball ist nicht statisch genug, es ist zu chaotisch. Zieh mal den Vergleich zum American Football. Dort hat man die Spezialisierung auf die Spitze getrieben. Es gibt für jede Spielsituation Spezialisten. Das Spiel ist statisch. Klar, kann schon passieren, dass deine Abwehrspezialisten mal einen Angriff laufen müssen, aber höchstens bis zur nächsten Unterbrechung. Und die kommt garantiert innerhalb der nächsten 10 Sekunden. Dann schickst du wieder deine Angreifer aufs Feld.

    Unser Fußball hat diese Unterbrechungen nicht. Innerhalb von wenigen Augenblicken ändert sich die taktische Ausrichtung und damit die Aufgaben eines jeden Spielers. Mal von Barca oder Bayern abgesehen, wenn sie gegen das Ligafallobst spielen, haben alle Mannschaften abwechselnde Phasen der Dominanz oder der Defensive. Die Bundesliga ist da zwar nochmals ein Spezialfall, weil da niemand Fußball spielen will außer Bayern und mit Abstrichen noch der BVB, aber das wollen wir jetzt erstmal ignorieren.

    Also du kannst gar nicht vor dem Spiel wissen, was von deinem Keeper gefordert wird. Obwohl doch, kannst du schon. Denn egal wie dominant du bist, egal wie sehr du den Ballbesitz perfektioniert hast, irgendwann wird der Gegner den Torwart zu einer klassischen Ballabwehr zwingen. Das mag bei einer Spitzenmannschaft seltener vorkommen, als bei der Schießbude der Liga, aber es entscheidet auch da die Spiele.

    Oder mal als Beispiel die Bayern genommen. Neuer ist sicherlich fußballerisch kein schlechter. Er kann mit dem Ball umgehen. Aber, deine Idee mal ernst genommen, warum sollte ich einen Neuer ins Tor stellen? Fußballerisch ist er deutlich schlechter als fast alle anderen Spieler im Kader. Dann stell ich mir doch lieber Hummels, Süle, Boateng, Martinez oder Alaba in die Bude. Und für Spiele, bei denen ich defensiver agiere, also ab Champions League Viertelfinale kauf ich mir dann doch besser einen Keeper, der stärker auf der Linie ist als Neuer. Zumindest wenn ich deiner Argumentation mal bis zum Ende folge.


    @WM 2006: Das Ding hat taktisch Klinsmann/Löw verloren. Die haben nicht erkannt, dass Italien umgestellt hat zum Ende des Spiels hin, weg vom 4-4-1-1 hin zu einem 4-2-1-3. Da brauch man über den Torhüter nicht reden.
    Kahn von 2002 hätte den Ball sicher gehabt, Kahn von 2006 eher nicht. Zumindest der Erste. Der war schon gut getroffen.


    Es gehört für mich zu den Fähigkeiten eines guten Torwarttrainers, dass er Schüsse aus kurzer und mittlerer Distanz beidfüssig so gut hinbekommt, als dass der Keeper genau die Anforderungen bekommt, die er als Vorbereitung für sein Spiel braucht.


    Wieso beidfüssig? Für den Torwart ist echte Beidfüssigkeit ja schon vernachlässigbar bzw. benötigt zu viel Zeit zu trainieren, die man für wichtigere Sachen braucht. Warum soll der Torwarttrainer das können? Selbst die meisten Feldspieler benötigen das nicht.
    Geändert von Anadur (13.08.2018 um 16:45 Uhr)

  2. #2
    torwart.de-Team Avatar von Steffen
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    Zitat Zitat von Anadur Beitrag anzeigen
    Weil es nicht funktioniert. Fußball ist nicht statisch genug, es ist zu chaotisch.
    Chaotisch würde ich das nicht nennen... nennen wir es flexibel oder agil.
    Das hat man aber in vielen Dingen, weshalb die Strategie die Basis ist, hingegen aber die Taktisch die Agilität bringt.
    Ob ich nun defensiv oder eher offensiv agiere, ist daher eigentlich auch keine Taktische Vorgabe, sondern eine strategische. Taktisch ist dann eher, ob ich über die Flügel spiele oder versuche, mit schnellen Bällen durch die Mitte zu kommen...
    Aber, die meisten Fussballer und Trainer kommen damit nicht klar und behandeln das ALLES unter Taktik.

    Zieh mal den Vergleich zum American Football. Dort hat man die Spezialisierung auf die Spitze getrieben. Es gibt für jede Spielsituation Spezialisten. Das Spiel ist statisch. Klar, kann schon passieren, dass deine Abwehrspezialisten mal einen Angriff laufen müssen, aber höchstens bis zur nächsten Unterbrechung. Und die kommt garantiert innerhalb der nächsten 10 Sekunden. Dann schickst du wieder deine Angreifer aufs Feld.
    Das ist mir bewußt und just darum kam mir auch die Sache mit den Torleuten in den Sinn. Und ich glaube immer noch, daß man das sicherlich versuchen kann.

    Unser Fußball hat diese Unterbrechungen nicht. Innerhalb von wenigen Augenblicken ändert sich die taktische Ausrichtung und damit die Aufgaben eines jeden Spielers. Mal von Barca oder Bayern abgesehen, wenn sie gegen das Ligafallobst spielen, haben alle Mannschaften abwechselnde Phasen der Dominanz oder der Defensive
    Richtig, ich will aber den Torwart nicht wirklich auswechseln, sondern man geht ja eigentlich mit einer gewissen Grundhaltung in ein Spiel. Du gibst als Trainer ja etwas vor.. und just zu dieser Vorgabe denke ich mir, würde der eine oder der andere Torwart besser passen. Das soll sich auch nicht innerhalb der 90 Minuten ändern, auch wenn man mal nicht im Ballbesitz ist, aber aufgrund der vorgabe sollte der Torwart dann besser in der Lage sein, die Situationen zu lösen, als der andere.
    Gebe ich dann eine andere Grundausrichtung als Trainer vor, spiele ich das Spiel ja anders und dann habe ich eben den Torwart drinne, der dafür besser passt.

    Verzocke ich mich da, habe ich einen Torwart drinne, der plötzlich nicht mehr 100%ig passt, aber das habe ich in anderen Spielen mit einer klaren Nummer 1 ebenso, weil dan Spiele passieren, wo dieser Torwart, auf den ich mich festgelegt habe und hatte, eben hier nicht gerade seine Stärken ausspielen kann...


    Die Bundesliga ist da zwar nochmals ein Spezialfall, weil da niemand Fußball spielen will außer Bayern und mit Abstrichen noch der BVB, aber das wollen wir jetzt erstmal ignorieren.
    Oha, du hast ja eine sehr hohe Meinung von den anderen Mannschaften. Ich glaube, die Kollegen von RB Leipzig, Schalke, Leverkusen und sicherlich auch Hoffenheim würden Dir da doch vehement widersprechen...

    Also du kannst gar nicht vor dem Spiel wissen, was von deinem Keeper gefordert wird. Obwohl doch, kannst du schon. Denn egal wie dominant du bist, egal wie sehr du den Ballbesitz perfektioniert hast, irgendwann wird der Gegner den Torwart zu einer klassischen Ballabwehr zwingen. Das mag bei einer Spitzenmannschaft seltener vorkommen, als bei der Schießbude der Liga, aber es entscheidet auch da die Spiele.
    Hm, deute ich das dann so, daß Du immer noch die Klassischen Aktionen allen anderen Aktionen vorziehst?
    Das Fussballspielen des Torwarts wird doch so hervorgehoben und von so vielen Trainern abgefeiert, warum bist Du in der Richtung dann so dagegen?
    Ich denke hier an so viele Torwarttrainer, die nahezu jede Aktion mit Ballspielen einleiten, oder sogar ihre Torleute fast ausschließlich situativ damit konfrontieren, daß Ballan- und Mitnahme sowie das Passspiel gefordert sind, während die anderen Aktionen Ballangriff und / oder 1gg1 Aktionen darstellen. Ich denke hier z.b. an einen Braunschweiger Tw Trainer, der hier seinen Fokus auf dieses Mitspielen ebenso gelegt hat, wie der ehem. WFV Torwartspezialist, der jetzt mit Goalplay Spielanalysen und Trainingsideen mit Oliver Kahn als Schirmherr unter das Volk bringt...
    Diese Gewichtung hin zum Mitspielen, Fussball spielen und einfach der Gewichtung hin zu 80% Felspieler Fertigkeiten kann man da nicht in Abrede stellen.

    Daher hier also meine Frage - denn ich bin da neugierig.

    Denn von vielen wird ja der Vorteil des fussballers im Tor angemahnt, ich sehe das eher auch kritisch, denn ich stelle mir immer die Frage: Kann er so einen Einfluss haben, der Fussballer im Tor, daß Zählbares, also Tore und Punkte dabei rauskommen - oder ist doch eher das defensive Spiel, das Halten von Bällen, die Abwehr von Gegentoren viel wichtiger, weil zwar keine zählbaren Tore rausspringen, aber für den Gegner zählbare Tore und damit ggf. auch für den Gegner zählbare Punkte unterbunden werden....
    diese Gewichtung ist in der ganzen Argumentation um den Fussballspielenden Torwart immer verloren gegangen, weil man statistisch nur darauf schaut, was der Torwart am häufigsten im Spiel machen muss... oder wie er am häufigsten den Ball gespielt hat - und eben nicht, wo ggf. zählbares heraus gekommen ist.

    Ketzerisch stelle ich immer wieder die Frage, wo sind Belege dafür, daß der Fussballer im Tor wirklich zählbares auf die Reihe bringt, also dem Team nachvollziehbar Punkte und Tore erbringt...


    Oder mal als Beispiel die Bayern genommen. Neuer ist sicherlich fußballerisch kein schlechter. Er kann mit dem Ball umgehen. Aber, deine Idee mal ernst genommen, warum sollte ich einen Neuer ins Tor stellen? Fußballerisch ist er deutlich schlechter als fast alle anderen Spieler im Kader. Dann stell ich mir doch lieber Hummels, Süle, Boateng, Martinez oder Alaba in die Bude. Und für Spiele, bei denen ich defensiver agiere, also ab Champions League Viertelfinale kauf ich mir dann doch besser einen Keeper, der stärker auf der Linie ist als Neuer. Zumindest wenn ich deiner Argumentation mal bis zum Ende folge.
    Ich verstehe deine Idee dahinter, verstehe auch die Sache mit Hummels und den anderen. Klar, die sind Balltechnisch und fussballerisch vielleicht besser - aber gerade Manuel Neuer sagte man immer nach, daß er mühelos als 6er spielen könnte. Wenn dem so ist, wie kommt es dann, daß Du das ein wenig in Abrede stellst?
    Zudem um es auf Torleute zu beziehen, ist Neuer für mich eher der offensive Torwart, also eher der Spieler.... als Defensiven Torhüter würde ich dann doch, um bei Bayern zu bleiben, Ulreich ansehen.


    @WM 2006: Das Ding hat taktisch Klinsmann/Löw verloren. Die haben nicht erkannt, dass Italien umgestellt hat zum Ende des Spiels hin, weg vom 4-4-1-1 hin zu einem 4-2-1-3. Da brauch man über den Torhüter nicht reden.
    Mag sein, doch wir haben das Thema auch angeschnitten - wie denkst Du kann man solche Dinge optimieren - also das taktische Umstellungen rascher erkennt und dann auch besser von der Mannschaft kompensiert werden?
    Oder glaubst du, daß Deutschland oft nicht gut genug sich auf taktische Änderungen einstellen kann - und daher unter Druck gerät

    Kahn von 2002 hätte den Ball sicher gehabt, Kahn von 2006 eher nicht. Zumindest der Erste. Der war schon gut getroffen.
    Wie gesagt, darum geht es mir nicht zwingend. Mir ging es darum, daß Kahn eine andere Präferenz und Gewichtung der Fertigkeiten und Fähigkeiten im Vergleich zu Lehmann hatte...


    Wieso beidfüssig? Für den Torwart ist echte Beidfüssigkeit ja schon vernachlässigbar....
    Danke, und zur Kenntnis genommen. Die Diskussion habe ich verfolgt, die Frage stellt sich mir aber:
    Wenn der torwart unter Druck gerät und eigentlich alle doch einen Tw haben, der den Ball zumindest im Spiel hält, ist es dann nicht doch von Vorteil, wenn ich den Ball auf der linken Spielhälfte in der Lage bin mit Links nach vorn zu hauen, damit er sich vom Drall im Spielfeld hält, als wenn ich mit Rechts das Ding dann meistens eher Richtung Tribüne schlage... selbst bei so einer rudimentären Aktion wäre Beifüssigkeit prima, oder nicht?
    Ich bin aber bei Dir, daß es sehr viel Zeit und Aufwand kostet, die Frage ist nur: Betreibe ich den Aufwand nicht, inwiefern siehst Du die Nachteile als wirklich spielbeeinflussend und spielentscheidend an?
    Lassen wir das, war nie eine Leuchte...

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