Es geht nicht darum, auf dem Platz eine Wahrscheinlichkeitsanalyse durchzuführen. Es geht darum, Tendenzen darzustellen, daher erheben die genannten Zahlen keinesfalls Anspruch auf Korrektheit. Wichtig ist die Kernaussage, dass ein Keeper rauslaufen sollte, wenn er die Wahrscheinlichkeit dadurch ein Tor zu verhindern, besser einschätzt als wenn er drin bleibt. Dass das ohne Abakus und Taschenrechner funktioniert ist mir klar. Der Prozess läuft unterbewusst ab, aber eben genau nach diesen Regeln. Wenn du dieses klassische Hütchenspiel spielst, entscheidest du dich auch für das Hütchen, wo der Stein deiner Beobachtung nach am wahrscheinlichsten liegt (nehmen wir mal an, es wird nicht betrogen
).
Zu deiner Anspielung mit dem CL-Finale: Das ist genau der Unterschied in den Meinungen, den ich anspreche. Du favorisierst offensichtlich einen klassischeren Stil und stehst Neuers Ausflügen kritischer gegenüber als ich. Was wäre deiner Meinung nach in solch einer Szene richtig? Ich als Torwart schätze die Wahrscheinlichkeit (unterbewusst, s.o.) schlechter ein, wenn ich im Tor bleibe. Soll ich dann im Tor bleiben, nur weil ich dann keinen "Fehler" mache und, sollte der Ball im Tor landen, "chancenlos sein". Klar, dann ist der Torwart fein raus, aber es steht trotzdem 0:1... Letztlich muss man konsequent sein. Ein Torwart ist nie chancenlos, zieh mal den Vergleich mit einem einfachen Schuss. Ob aus 2 oder 40m, man hat immer eine Chance, die allerdings davon abhängt, wie man sich vorher postiert. Natürlich kassiert man dann oft Tore, weil der Ball dorthin geht, wo man gerade nicht ist. Aber ist es dann ein Fehler, bei einem Schuss zentral vom 16er nicht schon im linken Toreck zu stehen (wo der Ball, angenommen, dann "unhaltbar" einschlägt)? Eben nicht, weil das Tor groß ist und man mit einer mittigen Stellung eine vielfach größere Wahrscheinlichkeit hat, den Ball zu halten. Aber wenn du die Aktion am Erfolg misst, muss man dem TW einen Vorwurf machen, weil er eben nicht da steht, wo der Ball einschlägt.
Klar, das ist eine andere Situation, als die, von der wir hier sprechen. Aber zieh bitte mal die Analogie. Deiner "Ergebnis-Argumentation" folgend, müsstest du einem Keeper, der ein Tor im 1gg1 kassiert, immer den Vorwurf machen, dass er versuchen hätte können, den Ball vorher zu erlaufen. Wird aber nicht gemacht, warum also umgekehrt? Der Torwart sollte grundsätzlich die Aktion ausführen, die am erfolgsversprechendsten ist. Man kann halt nicht sagen, ob das in der einzelnen Situation richtig war, weil man dann immer vom Endergebnis beeinflusst wird und keine alternativen Handlungsstränge beobachten kann. Wichtig ist, die Gesamtheit zu sehen. Klar, wenn sich abzeichnet, dass ein Torwart jedes Mal beim rauslaufen den Ball verpasst, dann wird man sagen müssen, dass er falsche Entscheidungen trifft, weil er sein Aussichten falsch abwägt.
Beispiel: Du hast einen Würfel und kannst wählen, ob du die Zahlen 1-4 oder 5&6 haben willst. Wenn deine Zahlen kommen, gewinnst du. Angenommen, du entscheidest dich für 1-4, es kommt aber eine 5. Hast du dich dann "falsch" entschieden? Oder richtig, aber einfach Pech gehabt? Genau das meine ich.