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So, ich habe mir jetzt mal die Postings der letzten Tage in Ruhe durchgelesen, weil ich mir die Reaktionen hier im Forum schon lebhaft vorstellen konnte. Ich muß schon sagen, ich finde es erschreckend wie schönb sich hier alle auf Rensing eingeschossen haben. Vielleicht sollte sich einjeder hier erst einmal an seine eigene Nase packen. Ich bin weder Bayern noch Rensingfan. Ich bin leidgeprügelter Bochumer, welche in den letzten Jahren auch nicht mit Weltklassetorwartleistungen verwöhnt wurden. Aber ich sag auch ganz klar: KEIN Torhüter der ersten Fußballbundesliga kann sich von Fehlern und Patzern freisprechen. Weder alteingesessene wie Enke, Rost oder Drobny, noch unsere glänzenden Youngsters wie Adler, Neuer und Rensing. Erschreckend ist nur, daß auf einem Michael Rensing bedeutend länger und intensiver eingeprügelt wird. Patzen Neuer und Adler, so steht am nächsten Tag ein vernichtender Artikel in der Zeitung. Pariert Neuer in technisch katastophaler Manier mit mehr glück als Verstand einen nahezu unhaltbaren Ball, wird er 3 Wochen als der Messias gefeiert. Und was ist mit Rensing?! Er steht bei den Bayern im Tor. Klar, nach einem Oliver Kahn ist es ja schon Gotteslästernung wenn man da auch nur einen Ball fallen lässt! Man darf im Bayerntor halt nur Weltklasse und nichts darunter sein. Und bei jedem Patzer zerreissen einem die Fans und die Presse die nächsten 7 Tage - halt bis zum nächsten verlorenem Spiel, dann geht's von vorn los.
Nein, so eine Behandlung hat kein Torhüter verdient. Auch ein Michael Rensing nicht. Das Erbe das er antrat ist wahrlich von allen das Schwerste. Ich will ihm hier wahrlich keinen Orden verleihen oder einen Freifahrtschein ausstellen. Kritik ist sicherlich angebracht, aber sie sollte sachlich und begründet sein und nicht durch die Emotionen der Medien, der Bayernfans, der Neuer- und Adlerjünger und ähnlichem hochgepuscht werden. Rensing ist genau wie wir auch nur ein Mensch, der allerdings mit einem heftigen Druck fertig werden muß. Und das ist weiß Gott nicht einfach! Ich möchte nicht wissen wie ihr damit klarkämt, ständig im Fokus der Kritik zu stehen.
Soviel zum Bauchanteil meines Postings. So. Und nun versuchen wir der Diskussion zum Gegentreffer am Freitag erst einmal eine konstruktive Grundlage zu geben. Ich habe mir den Gegentreffer jetzt mehrfach angesehen. In einem Punkt stimme ich allen zu: Auf dem ersten und zweiten Blick hin, war es ein ganz klarer Patzer von Michael Rensing. Aber man muß sich den Treffer genau und mehrfach ansehen um festzustellen, daß der Ball zwar nicht unhaltbar war - aber dennoch auch nicht leicht zu parieren. Hier meine Analyse:
Ich habe vier Standbilder aus dem YouTube-Video herausgepickt um meine Analyse zu veranschaulichen. Ein wichtiger Aspekt wird daraus leider nicht ersichtlich, aber dazu später.
Der Gegentreffer geht schon einmal klar mit auf die Kappe der Bayernvordermannschaft. Auf Bild 1 erkennt man die Situation beim Zuspiel des Mainzer Mittelfeldspielers auf den Angreifer. Mit rot habe ich die Bayernspieler markiert, welche den gefährdeten Bereich abdecken sollten. Erschreckend ist der Abstand aller 4 Spieler zu dem in den Raum laufenden Mainzer Angreifer. Fehler der Kette Nr.1: KEIN Bayernspieler deckt den Mainzer Angreifer ab. Der läuft da mutterseelenallein rum und kann den Ball annehmen. Ist so ein Abwehrverhalten für einen Verein wie den FC Bayern tragbar? Nein! Aber darüber spricht ja keine S...
Auf Bild 2 sehen wir nun die Situation kurz nach der Ball annahme. Es fällt immer noch der gebührende Abstand der Bayernspieler zum Mainzer Angreifer auf. Die Viererkette ist komplett versprengt und absolut nicht existent. Der letzte Bayernverteidiger steht tief im eigenen 16er und schaut gemütlich zu, wie der Mainzer den Ball annimmt, verarbeitet und in den 16m-Raum eindringt. Die anderen drei markierten Bayernspieler traben seelenruhig zurück. Warum auch sprinten? Ist ja noch einer da...
Auf Bild 3 sehen wir die Situation beim Schuß ansich. Ein sehr schönes und wichtiges Bild, auch in Hinsicht auf Rensings Reaktion und Stellungsspiel. Mit Gelb habe ich den Winkel zu den Torpfosten eingezeichnet, nach denen sich unser Stellungsspiel richten sollte. Man sieht ganz gut, daß Rensings Stellung nicht optimal ist, aber auch nicht grottenschlecht. Man muß ja auch bedenken, daß der Mainzer Angreifer sich den Ball leicht nach außen legt und den Winkel somit verändert. Als TW müssen wir das mit Seitwärtsbewegungen kompensieren. Das lässt sich in einem Standbild natürlich nicht festhalten.
Mit rot habe ich aber einmal die Sichtlinie Rensings zum Ball markiert. Hier sieht man recht deutlich, daß Rensing den Ball im Moment des Schusses schlecht oder gar nicht sehen konnte. Sein eigener Abwehrspieler stand ihm nämlich vor der Linse. Was daraus Resultiert ist, daß Rensing den Ball einen Moment später erst sieht und nur verzögert reagieren kann.
Auf Bild 4 dann der Schuß wärend der Flugphase. Hier sieht man den für mich einzigen Schwachpunkt bei Rensings Aktion. Während wir lernen dem Ball entgegen zu gehen, geht Rensings Bewegung leicht nach hinten. Hierdurch wird der Winkel nicht kleiner, sondern größer und der Vorteil des Stellungsspiels ist dahin.
Das führt uns auch zu einem entscheidenden Faktor bei diesem Treffer, der auf den Fotos nicht ersichtlich wird: Der Ball setzt vor Rensing auf! Jeder von uns weiß sehrwohl was es heißt, wenn ein Ball aufsetzt. Er wird schneller, oder langsamer und oft unberechenbar. Nicht umsonst lernen wir einen Ball nach Möglichkeit vor dem Aufsetzen zu entschärfen. Rensings Bewegung geht aber nach hinten und lässt somit das aufditschen des Balls zu. Das Ergebnis ist in der 2ten Wiederholung auf dem Video gut zu sehen. Der Ball bekommt eine andere Flugkurve und wird zu dem leicht abgebremst. Rensing verschätzt sich bei dem Aufprallwinkel und hebt den Arm leicht an. Der Ball springt aber nicht so hoch vom Boden ab und rutscht ihm unter dem Arm her.
Die Analyse spricht Rensing keinesfalls von einer Schuld frei. Der Ball war durchaus nicht unhaltbar. Aber sie zeigt auch deutlich, daß der Ball unter den Faktoren der Sichtbehinderung und des Aufsetzens sicherlich kein 08/15 Standartschuß war, den meine Oma mit der Mütze rausfischt. Und bevor wir anfangen den Torwart zu zerfetzen, sollten wir uns fragen wofür die anderen Spieler eigentlich ihre Millionen bekommen. Für's zugucken? Denn mehr hat die Bayernabwehr nicht geleistet. Rensing trifft sicher eine Teilschuld da er seine Bewegung nach hinten macht anstatt dem Ball entgegen zu gehen. Aber ein so krasser Aussetzer wie hier propagandiert wird, war das bei weitem nicht. Da habe ich von anderen Torhütern bei weitem schlimmeres gesehen.
So und nun geht mal in euch und überlegt mal, ob ihr den Ball wirklich sooo sicher gehalten hättet wie ihr hier alle schreit! Ich sage ganz klar: Nein! Sicher, wir verdienen auch nicht unser Geld damit und spielen auch nicht für den FC Bayern, aber wir dürfen nie vergessen das da auch letztlich nur ein Mensch wie wir im Tor steht, der alltäglich mit den gleichen Problemen kämpft wie wir in den Kreis-, Bezirks-, Verbands- und Landesligen. Auf einem anderen Niveau mit mehr Druck, aber die Probleme bleiben dennoch die Gleichen.
Noch meine persönliche Meinung zu Rensing und den Bayern:
Ich halte Rensing nach wie vor für keinen schlechten Torhüter. Meines Erachtens würde er sich aber selbst einen Gefallen tun, wenn er die Bayern verließe. Er bräuchte ein ruhigeres Umfeld um erst einmal wieder an Sicherheit zu gewinnen. Unter diesem Druck ist das eigentlich nicht zu schaffen. Ein Verein in Liga 2 mit viel Spielpraxis wäre eine gute Lösung. Und das Zeug zum Bundesligatorwart hat er allemal - wenn er an Stabilität gewinnt.
Der FC Bayern, seine Funktionäre und vor allem auch die Fans sind einfach zu erfolgsverwöhnt. Vielleicht täte allen mal ein Saisonabschluß im unteren Tabellendrittel gut, um wieder auf den Boden zurück zu kommen und einen Hauch Menschlichkeit zu lernen. Da lob ich es mir in Bochum. Keine Titel, kein Geld, aber dennoch ein enger Zusammenhalt (wenn man nicht gerade in rosa spielt).