Tobias,
Du stellst eine schwere Frage. Von der Leistung her braucht sich ein Roman Weidenfeller nicht zu verstecken. Er ist einer der stabilsten und konstantesten Torleute der Bundesliga, spielt einen ruhigen und damit in vielen Augen eher konservativen Stil hinter der 4er Kette - und das mit Erfolg.
Somit von der Leistung her gehört er sicherlich in den Nationalelf Kader - also nur die Leistung betrachtet.

Doch eine Auswahl ist mehr. Du musst aus 22 Individualisten eine Mannschaft zusammen basteln, die eben gemeinsam auch was weghaut. Der Spruch mit den "11 Freunde müßt ihr sein.." der hat schon seine tiefe Bedeutung. Das ging lange in der Nationalelf vergessen und wird meiner Meinung dadurch forciert, daß Spieler heute international tätig sind - und mit Stolz trägt da keiner wirklich den Adler auf der Brust und für Deutschland spielen - da fehlt an vielen Stellen der Patriotismus. Schaut man sich andere Länder, wie die USA an - die fighten. Auf dem Platz herrscht für eine USA Auswahl Krieg. Eine Mannschaft greift deren Land an, und die Truppe auf dem Feld verteidigt daher die USA. Somit ziehen viele Teams doch deutlicher für Ihr Land in die Länderspiele, als die Deutschen es tun.
Gegen Österreich, jeder Österreicher ist bis in die Haarspitzen motiviert und das merkst Du diesen Spielen an. Ich habe so eine Spannung bei den Deutschen bisher kaum bemerkt - hier fehlt dieses Quentchen Nationalstolz und Patriotismus. Für Deutschland, sich als Vertreter eines Landes empfinden und dann für die Abermillionen Fans und Einwohner des Landes als Vertreter auf dem Spielfeld das zu repräsentieren - nun...

Mich stört das "Dabei sein ist alles" Gefühl. Da fährt eine Auswahl zur Meisterschaft, wird gandenlos abgewatscht und dann feiert alles seine "Helden" und freut sich über die tolle Meisterschaft im eigenen Land, über die sportliche Freundschaft, über das Dabeisein, die tollen Spiele... hier fehlt der Patriotismus.

Und genau da muss man bitte auch mal sehen, daß eine Nationalmannschaft nicht bloß durch Leistung geprägt ist, sondern auch als Ausdruck dessen, was Deutschland im Fussball darstellen will - es ist Ausdruck dessen, was der DFB als Fussball nach aussen vertritt und womit sich der Verband identifiziert. Und wenn der Verband unbedingt eben das "Dabei sein ist alles" nach aussen kommunizieren will, Titel für den Verband nicht wichtig sind - dann ist das eben so. Für uns Fans unverständlich, für den Verband aber völlig in Ordnung und dann spielt die Auswahl genau so.

Der Verband fordert eine Talentförderung, verlangt, daß junge Talente nicht nur gesichtet und möglichst optimal gefördert werden, er verlangt auch, daß Spieler sich im Team orientieren, Teamfähigkeit besitzen und zur Not auch mal den Egoismus rausnehmen, wenn es nicht mannschaftsdienlich ist.
Der Fussball steht seit Jürgen Klinsmann auf einem neuen Weg. Das kann man nun nicht verstehen, doch der Weg war in der Form so wichtig, weil er längerfristige Erfolge bietet. Die Anleihen aus dem US Profi Football und dem Profi Baseball sind offensichtlich gewesen - zeigen aber auch, wie wenig man sich in den Spitzengremien um den Sport allgemein Gedanken gemacht hat. Heute geht es um Core Training, anstelle Cooper Lauf macht man heute einen Shuttle Run Test, man regeneriert mehr aktiv, als einen Tag frei zu haben. Man beschäftigt sich mit Alternativsportarten und fördert neue Bewegungen, ja man denkt förmlich anders über Bewegungen und die Verarbeitung im Kopf nach, wie Life Kinetik belegt.

Somit steht Roman Weidenfeller deutlich im Focus, weil seine Leistung herausragend ist. Doch er ist kein Talent mehr, er ist gestandener Torwart und Führungsspieler seines Teams.
Roman hat in der Letzten Zeit seinen eigenen Egoismus oft über die Ziele des Verbandes gestellt und versucht, sich in das Team zu reden - anstelle Geduld zu beweisen.
Man erinnere sich an René Adler, der seinen Stammplatz aufgrund Verletzung an Manuel Neuer verloren hatte und dann der Mannschaft und Manuel ein TopTurnier wünschte. Danach hat sich René Adler nicht in die Nationalelf gebabbelt oder am Käfig gerüttelt, er hat durch Leistung überzeugt und auf seine Chance gewartet - die dann kam.

Somit: Was kann man Roman Weidenfeller anbieten? Als Nummer 1c?
Sorry, daß finde ich unpassend und wird seiner Leistung nicht gerecht. Doch 1a und 1b sind gesetzt, da kann man einfach auch nicht dran rütteln, die Jungs sind Jünger und mindestens gleich gut.

Als 1c nimmst Du jemand mit, der entweder älter ist, seine Leistung bringt und vor allem keine Unruhe ins Team bringt. Oder jemand jungen, der eine Perspektive vor sich hat, dem man zeigt, wohin sein Weg gehen kann und soll, er dafür sich aber noch strecken muss.

Welchen Platz hat Roman Weidenfeller daher im Nationalteam, wo er sicherlich nicht der ruhige 1C Torhüter Type wie Butt wäre? Die Diskussion ist müsig, denn ebenso wie sich Roman Weidenfeller nicht ins Team reden konnte, werden die Fans nicht Roman Weidenfeller ins Team schwätzen können...

Selbst wenn Ter Stegen und Zieler gerade immer und immer wieder mit allerlei Absonderlichkeiten 'glänzen', als 1C muss man da nicht rütteln, zumal andere, wie ein Bauman, Leno oder Ulreich nur auf die 1C lauern, weil diese es als Auszeichnung und Anerkennung empfinden würden... somit ist die 1C schon eng umworden von jungen, aufstrebenden Talenten. Da will Roman Weidenfeller nicht passen.

Somit: Es ändert nichts daran, daß Roman Weidenfeller ein sehr guter deutscher Torhüter ist. Aber für die Nationalmannschaft zählt leider nicht allein die Leistung, sondern auch ob man Deutschland vertritt (was wohl weniger wiegt, und ich bei Roman nicht in Frage stelle), und vor allem dann in die Gedanken und Formen passt, die der Verband für seine Auswahl anlegt. Und hier will er nun mal nicht passen, so sehr man es Ihm wünscht.