So, nun wird es ein wenig länger bei mir
Aber das kennt man ja schon...
1. Immer Gesicht zum Spielfeld.
Naja, es ist so ähnlich wie die Aussage eim Autofahren: "Immer die Augen auf die Strasse gerichtet halten!"
Sicherlich ist das gut gemeint, nur nicht immer so ernst zu nehmen. Man muss schon mal auf den Tacho schauen, wirft einen Blick auf's Navi oder in den Rückspiegel... Was wohl damit gemeint ist, daß wir hochkonzentriert sein sollen und die Sache im Blick haben müssen.
Beim Torwartspiel nervt es, wenn der Torwart mit Schwung einen Ball aus der Ecke fischt, um den Pfosten dreht und dann ein Trainer verlangt, daß er mit Blick auf das Spielfeld abschließend liegen bleibt.
Oder der Torwart den Ball im Hechten gefangen hat, über die Schulter abrollt und auf dem Ball liegen bleibt... Herrje.
Man sieht es an der Diskussion zum Wenden und aufstehen.
Wenn man ein Dogma daraus macht, schränkt man den Torwart im Bewegungsprofil ein, er wird unflexibel und weniger Leistungsfähig. Das muss ein Trainer erkennen, er muss aber auch erkennen, ob dies auf das Spiel negative Auswirkungen hat. Hat es das nicht, darf und kann ich es zulassen und muss nicht ständig darauf herumreiten....
Gelinde gesagt, es ist Blödsinn.

2. Immer das Knie anziehen beim Abfangen von Bällen
Jou, klar. Beim VfB Stuttgart ist man davon längt weg, und das weil ein Hr. Lehmann selbst in England es nicht gebraucht hat.
Schaut man sich die wenigen Strafraumszenen von Jens Lehmann an, die auf U-Tjuub zu finden sind, dann sieht man: Er macht das eigentlich nie, ausser es ist genug Platz da.
Also, von immer Knie anziehen ist da schon lange nicht mehr die Rede und scheinbar hat sich diese Erkenntnis noch nicht in den Köpfen der Torwarttrainer durchgesetzt, weil auch diese zu wenig und zu selten miteinander sprechen, sich austauschen.... der Deutsche Fussball krankt an mangelhafter Kommunikation

3. Jeder Ball aufs kurze Eck ist haltbar
Ja, hm, na klar.
Es gibt Dinge, die passieren einfach. Wenn's Gewittert, gibt es immer einen Regenbogen... warum wir den nur nicht immer sehen, ist die andere Frage.
Nein. Es ist situationsabhängig. Individuelle Fehler führen zum Tor und nach dem Tor in der Analyse sehen wir die Fehler und wissen warum das Tor gefallen ist.
Das läüßt oft die Illusion aufkommen, es wäre alles möglich. Theoretisch ist es das auch. Doch Fußbal wird von Menschen gespielt... Menschen sind nicht perfekt und machen Fehler, sonst würde es keine Tore geben.
Auf dem kurzen Eck unterschreitet der Stürmer oft die Reaktionszeit des Torwarts, der dann gar nicht mehr in der Zeitspanne die Arme hoch bekommt oder schlicht gar nicht mehr reagieren kann... Die Entscheidung, ggf. den kurzen Pfosten zu verlassen und vielleicht mit der Torverkleinerung zu arbeiten, es birgt oft mehr Risiken als Vorteile... Geht es gut, naja, den muss er ja haben, oder?
Kaum ein Trainer denkt darüber nach, und wir, wir müssen einfach einsehen: Nichts ist wie es scheint, aber wir arbeiten daran.

4. In die Torwartecke beim Freistoß darf kein Ball reingehen.
Hm, ja klar. Und hebt er den Ball über die Mauer, muss den auch der Torwart haben, er ist ja lange genug unterwegs!
Wir reden über Strafmaßnahmen. Bei einem Freistoß in gefährlicher Distanz kommt es wie beim Strafstoß zum Duell. Schütze und Torhüter. Die Chancen sind hier ausgeglichen und wie in Dodge City beim Shootout kommt es hierbei auch darauf an: Wer hat die stärkeren Nerven, wer das bessere Timing?
Verzieht der Stürmer nur einen Milimeter, ist der Schuss zu unpräzise, wird geblockt oder abgefangen. Steht der Torwart einen Centimeter falsch, sind das die Centimeter die dann fehlen, um den straff platzierten Schuss in die Torwartecke um den Pfosten zu drehen.
Somit: Es ist Wahrheit drann, daß der Torwart diese Ecke abzusichern hat, doch keinesfalls darf man erwarten, daß er damit alle Schüsse abwehren kann. Denn oft genug findet der Torwart seinen Meister in einem noch kaltblütigeren Schützen. Dann sitzt das Ding einmal, einmal von 10 Versuchen... Es ist einfach wie immer im Leben: Nichts gelingt immer, aber immer öfter...

5. Die Größe des Torhüters entscheidend.
Nunja... ab einer gewissen Zeit schon. Und die Zeit bestimmt sich aus den Fertigkeiten und Fähigkeiten des Torwarts.
Leider ist Wahrheit am Satz dran, denn oft nimmt man kleine Nicklichkeiten in Kauf, unwissentlich zu gunsten der Größe.
Der Große kommt nicht so rasch runter, ist nicht so schnell in den Ecken, na und denken viele Trainer. Dafür räumt er im Strafraum alles ab. Sicher, so kann man auch spielen. Doch dann muss ich so spielen und muss eben die Gegentore hinnehmen, die die Schwäche bei flachen Bällen so mit sich bringt.
Einer für alles, und ales gut gibt es nicht. Der kleinere Torhüter räumt im Strafraum vielleicht nicht alles ab, kann dafür beim 1 gegen 1 und den Linienaktionen mehr und besser glänzen. Wer hat den Vorteil?
Ich glaube, ab einer gewissen Leistungsklasse keiner mehr. Denn Schwächen hat jeder von Beiden, es ist einfach so... man muss sich entscheiden. Oft trifft der Trainer unwillkürlich die Entscheidung pro Größe und lebt damit, den Torwart bei den Schüssen flach in die Ecken etwas anzukreiden, doch da es dann beim Gegner auch so ist, fällt es nicht auf... der Normalzustand ist dann die Illusion der selbstgeschaffenen Rahmenbedingungen.
Der Vergleich , wie viele Tore die Schwäche des jeweiligen Torhüters eigentlich kostet, die Bilanz, die fehlt.. bei allen Vereinen.

6. Ein Torwart muss "modern" spielen.
Jetzt definieren wir mal modernes Torwartspiel!
Bisher ist das so eine nichts sagende Phrase, die im Raum steht. Was ist denn bitte modernes Fussball-Torwartspiel?
Der Dozent wirft das in den Raum, es flimmern ein paar Folien, Videos und die Erklärung, daß nur 5% des Spiels im Tor wirkliche Torverhinderungsaktionen sind, im klassischen Torwartmilieu also, und sofort weiß es jeder: Mist, der Typ auf der Linie, der ist nicht mehr gefragt... und jeder glaubt es.
Nun, dann, wenn die 5% der Statistik zu vernachlässigen sind, warum stellen wir dann nicht einen Libero ins Tor? Das bissi mit den Händen, es sind doch nur die 5%, das kriegt der schon hin... Das Spiel läuft 90 Minuten, ich verliere 4:0 und jeder fragt sich warum, ich hate doch einen 95%igen (Tor-)Spieler im Tor... wo ist der Fehler?
Nunja, es sind die wenigen Sekunden des Spiels, wo die Aktion der 5% zum Tragen kommt, wo der Torwart mit allen Miteln, der Erfahrung und der besonderen Technik auf des Messers Schneide den Ball um den Pfosten dreht, oder mit der Fingerspitze über die Latte tippt... 5% machen das Torspiel oft aus, und weniger wie 5% sind also die wahren und echten Torchancen im Spiel, und wir Torleute machen also die Torchance des Gegners im Spielverlauf, die nur 5% Spielanteil sind, zu etwas unter einem Prozent... kein Wunder, daß es so wenig Tore gibt. Doch von der Seite, da betrachtet keiner die Statistik. Der Dozent grinst, weil er wieder verstanden wurde, Applaus und ein Hoch auf das moderne Torwartspiel...
Auf die Frage was es denn nun ist, weiß nicht mal der Dozent eine Antwort... fragen wir die Torleute, die wissen es, doch die fragt keiner... der Trainer, der aus der Präsentation geht, der weiß es nun und hält seinen Torleuten einen Vortrag. Bravo, so spielt man Fussball.

7. Jede hohe Hereingabe in den Torraum muss dem Torwart sein
Sicher. Eine Sache muss man aber auch mal anmerken: Biologisch bedingt läuft ein Mensch schneller vorwärts als rückwärts..... Somit kann der Torwart im Rückwärtslaufen die Bälle lang nicht bekommen, wenn er kurz steht.
Der Torwart muss also zunächst länger stehen, um das Erlaufen des Balles vorwärts zu erlernen. Erst dann kommt das seitliche anlaufen und später das Wenden und seitliche unter der Flanke den Ball erlaufen.
Dabei bewegt sich der Torwart im Mittel immer mehr vorwärts, als seitwärts und schon gar nicht Rückwärts... Seine Position verändert sich damit im Tor, von lang, auf mehr und mehr mittig. Dabei ist zu beobachten, daß Toleute im U10 Alter eher mittig oder kurz stehen, danach sich die Sache mehr und mehr auf das lange Eck geht und erst in der U18/U19 mit der Erfahrung die Torleute einfach wieder in die Mitte zurück kehren oder zurück gekehrt sind.
Nun ist das Problem aber, daß das Tor eben nicht nur 5 Meter breit ist, sondern der sogenannte 5er oder schlicht Torraum, ein Rechteck bildet. Die vordere Ecke und die hintere Ecke sind für den Torwart aus der mittigen Position nahezu unerreichbar, der Raum ca. 4 mal 4 Meter zwischen 5er und Elfmeter hingegen optimal.
Ich habe also wieder eine typische Glockenkurve, wo der Torwart bei einer hohen Hereingabe sicher heran kommt und wo weniger gut..
Naja, und nun ist es kein Geheimnis, daß dies die gegnerischen Stürmer auch wissen, und daher versuchen, den Ball nicht in diese Zone zu schlagen.
Gute Torleute weiten dann den Bereich auf 8 mal 8 Meter aus, stehen dafür anders, offensiver und sind daher wieder anders anfälliger, aber nichts im Torwartleben ist ohne Risiko. Will ich im 5er in der Luft präsent sein, muss ich ggf. andere Aspekte vernachlässigen.... doch dies einem Trainer zu erklären, es ist merkwürdig, es geht nicht. Die Trainer wollen das gar nicht hören und die Dozenten auf den Trainerschulungen wollen es auch gar nicht vermitteln.... Sie vermitteln brav, was die Trainer hören wollen. Kein Wunder, sonst kommt doch keiner zu den Schulungen, oder?
Der Spruch ist daher ebenso war, wie die Zahl pie eine einfache Zahl ist...

8. Der Torwart muss dem Ball entgegen springen
Ach, wie oft hört man es... und wie oft wird es begründet. Wie oft wird es herangezogen für Tore zu erklären, wo der Torwart hätte und müßte.
Ja, der Torwart sollte es tun... aber nein, oft kann er das gar nicht, noch schafft er es, selbst wenn er es versucht.. Er sollte sich daran gewöhnen, er sollte es als Grundlage sehen, aber es darf kein Dogma sein, wo man eine Linie von A nach B zieht und meint, damit wäre es getan.... ein Ball fliegt keine gerade Linie, der Torwart hechtet in keiner geraden Linie und damit ist das aktive zum Ball gehen, das sogenannte nach vorn springen auch nicht so geradlinig zu sehen, wie es dies gern von Trainern getan wird...

9. Der Ball darf nicht in die Mitte vor den Strafraum gespielt werden
Keine Regel ohne Ausnahme. Sicher, man sollte es nicht tun, doch wenn dort meine einzige und zuverlässige Anspielstation ist, warum nicht?
Oft muss an durch die Todeszone gehen, um Aussen Raum und Platz zu bekommen....